2015-11-01 - Reformationstag - Konfirmation - Pastor Dr. Christian Nottmeier

(Predigttext: Mt. 5, 2-10)


2 Und Jesu tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:

3 Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.

4 Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.

5 Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.

6 Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.

7 Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.

8 Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.

9 Selig sind die Friedfertigen; 1 denn sie werden Gottes Kinder heißen.

10 Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.


Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Eltern, lieben Gemeinde!


Jetzt geht’s los. Nach ein einhalb Jahren hartem Training, Aufwärmübungen und einer Reihe von recht erfolgreichen Testspielen ist für euch heute der große Tag. Finale. Und das tolle ist: ihr habt eigentlich schon gewonnen. Heute seid ihr die Champions, die Sieger. Denn heute ist eure Konfirmation. Damit werdet ihr ein Stück mehr erwachsen. In der Kirche seid ihr es jetzt schon. Ihr seid mündige Christenmenschen, habt eine Freiheit, euch selbst zu entscheiden, was ihr glaubt, worauf ihr im Leben bauen wollt. Das kann euch niemand mehr vorschreiben. Ihr habt sie aber nicht nur aus euch selbst, sondern ihr verdankt sie Gott selbst, der uns die Freiheit zum Bekennen und entscheiden geschenkt hat. Das feiern wir, dass ihr mit Ernst Christen in dieser Zeit sein wollt und dass euch vor Gott eine weite Zukunft eröffnet ist – eine Zukunft, in der auch Gott euch begleiten wird. Es ist gut, dass wir eure Konfirmation zugleich am Reformationsfest feiern. Denn genau um diese Freiheit, die Freiheit eines Christenmenschen, ging es Luther in seinem Protest gegen die Missstände in der Kirche seinerseits. Religion, der christliche Glaube ist nicht dazu da, Menschen klein zu machen, sie dumm zu halten, sondern er soll uns unsere von Gott geschenkte Freiheit bewusst machen, auf dass wir sie richtig gebrauchen.


Konfirmation – das ist das Fest des mündigen Christseins, der Freiheit, der Selbstbestimmung. Selbstbestimmt sein, selbstbestimmt leben zu wollen, das kann auch heißen, sich nicht mehr von jeder Hand einfach so führen zu lassen, sondern eigene Wege zu gehen, eigenes auszuprobieren. In der Zeit, die wir euch begleitet haben, seid ihr alle ein ganzes Stück erwachsener geworden. Nicht mehr alles wollt ihr euch vorschreiben lassen, auch nicht von euren Eltern. Ihr seid dabei, euer Leben selbst in die Hand zu nehmen. Das allerdings, ihr werdet es ahnen, ist auch anstrengend. Ein bisschen ist es da auch wie beim Sport, egal ob ihr Rugby- oder Fußballfans seid. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Und heute, da geht es damit richtig los.

 

Freiheit existiert aber nicht losgelöst. Zum Leben gehört allerdings auch, dass die Freiheit, die Selbstbestimmung ihre Grenzen hat. Diese Grenzen liegen nicht nur da, wo wir Freiheit und Selbstbestimmung auf Kosten anderer durchsetzen wollen, wo wir unserer Freiheit um der anderen willen Grenzen setzen. Diese Grenzen liegen auch im Leben selbst. Auch wer erwachsen wird, wer erwachsen ist, braucht Halt, Orientierung. Das Leben hält auch Erfahrungen von Scheitern, von Brüchen, von Tod bereit – Erfahrungen, die uns unsere Grenzen spüren lassen. Nicht nur dann, aber auch dann brauchen wir Menschen, die uns an die Hand nehmen, tröstend, zugewandt, uns verstehend. Auch dann, wenn wir unsicher sind, nicht wissen, wie es wird: in einer neuen Gruppen, auf einer neuen Schule, in einer neuen Lebenssituation.


Glaube zeigt uns, wie wir jetzt schon vor Gott sind. Deshalb ist es gut, dass uns mit dem Predigttext heute noch einmal die Seligpreisungen aufgegeben sind. Sie sollen so etwas sein wie eine Anweisung zum glücklichen Leben. Achtet auf eure Frömmigkeit, auf eure Beziehung zu Gott, auf das, was wirklich wichtig ist im Leben, sagt Jesus. Lebt und pflegt das, trachtet danach, dass Gott ganz in euren Herzen Herrschaft, dann werden euch Gottes Reich und Gottes Gerechtigkeit zufallen. Dann seid ihr selig, glücklich, wie Jesus es sagt. Am Anfang steht dabei die Selbsterkenntnis, geistlich arm zu sein, wie es in der ersten Seligpreisung heißt: Selig sind, die da geistlich arm sind, denn ihrer ist das Himmelreich. Mir hat sich diese Seligpreisung erst kürzlich wirklich erschlossen – und zwar durch die Fassung der afrikaansen Bibel. Da wird sie wie folgt übersetzt: Gelukkig is die mense, wat weet hoe nodig hulle God het, want die koninkryk van die hemele is hulle deel.

 

Darin liegt vielleicht der Anfang menschlicher Weisheit, dass wir nicht erkennen, wie toll wir sind, sondern wie sehr wir auf die Quellen und den Ursprung unseres Lebens angewiesen sind. In dieser Erkenntnis gründet wahre Freiheit, auch eure christliche Freiheit, die wir heute feiern.


Die Seligpreisungen Jesu setzen eine andere Wirklichkeit in Kraft. Es ist die Wirklichkeit Gottes, die Wirklichkeit des Himmels, jener anderen Sphäre, aus der unser Leben kommt und die unser ganzes Leben mit seinen Höhen und Abgründen umfängt. Oft genug vergessen wir diese andere Sphäre. Wir lassen uns gefangen nehmen vom Alltag, von seinen Bildern und Geräuschen und von seiner hektischen Betriebsamkeit und von seiner scheinbar bezwingenden Logik: Der Ehrliche ist der Dumme. Der pure Schein zählt, nicht das, was eine wirklich kann. Wer selbstsicher auftritt und jeden Zweifel überspielen kann, steht am Ende als Sieger dar. Die Seligpreisungen Jesu sind Worte gegen solch resignierende Formeln, die unsere Welt und unser Erleben oft bestimmen. Mitten in das Rauschen und Dröhnen unserer Alltagslogik hinein ergeht in den Seligpreisungen Jesu ein anderes Signal, ein Signal des Himmels, der diese Erde neu macht und verwandelt. Die Seligpreisungen führen die Perspektive Gottes in diese Welt und ihre Wirklichkeit ein. Und aus der Perspektive Gottes stehen die Barmherzigen, die Friedensstifter und die Verfolgten auf der richtigen Seite, sie sind Bürger der neuen Welt Gottes und deshalb selig zu preisen.


Zu dieser Welt, das werde ihr nachher bekenne, wollt auch ihr gehören. Davon wollt auch ihr euch stärken und trösten und anspornen lassen.


Und deshalb sind die Seligpreisungen nicht zuerst als Anspruch, sondern als Zuspruch gemeint, auch für euch heute. Sie sollen euch Mut machen, euren Weg in die herrliche Freiheit der Kinder Gottes zu gehen. Manches wird prima dabei, aber auch manche Verletzung werdet ihr erleiden. Selig gepriesen werden deshalb gerade nicht die, die nach menschlichen Maßstäben zur besseren Gesellschaft, zur Elite, zu den Anerkannten gehören. Das heißt hier: Zum Menschen wird man nicht durch das, was man leistet, sondern durch das was man in den Augen Gottes vor aller Leistung schon ist. So, wie ihr Gottes wunderbare Kinder seid.


Amen.

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