(Lukas 17, 20-24 und zum Lied „Gewöhn mein Herz an die Ewigkeit“ (B.-M. Müller und T. Eichholz-Müller))
Teil 1 (Renate Wolf):
“Wann wird denn das Reich Gottes kommen?” haben wir eben in unserem Predigttext gehört. Was verbirgt sich wohl hinter dieser Frage, die die Pharisäer an Jesus richten? Theologische Haarspalterei? Furcht? Gar Panik? Oder aufrichtige Sehnsucht?
Jesu Antwort an die Pharisäer: das Reich Gottes kann man nicht sehen, aber es ist schon jetzt mitten unter euch!
Jesu Antwort an die Jünger: eure Sehnsucht auf das Reich Gottes wird ins Unermessliche steigen, es wird viel Falsches über das Reich Gottes gesagt werden, aber wenn Jesus wiederkommt, so wird er unübersehbar sein! Wie ein Blitz am Himmel...
Die Frage nach dem Reich Gottes bewegte und begleitete nicht nur die Menschen zu Jesu Zeiten. Auch heute kennen wir sie. Zwei Menschen, die sich sehr intensiv mit der Frage nach der Ewigkeit befasst haben, sind Bernd-Martin Müller und Thea Eichholz-Müller, zwei Musiker, von denen auch wir einige Lieder in unserer Gemeinde singen. Bei Bernd-Martin Müller wurde im Alter von 39 Jahren Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert und er starb wenige Monate später. In der Zeit zwischen der Diagnose und seinem Tod schrieben er und seine Frau das Lied „Gewöhn mein Herz an die Ewigkeit“... Ein etwas anderer Schwerpunkt derselben Frage: „Wann wird denn das Reich Gottes kommen?“ Für mich? Wie bereite ich mich darauf vor?
Bernd-Martin Müller schreibt dazu: „Zu versuchen, mein irdisches Leben aus der Perspektive Gottes zu betrachten, bedeutet nicht, sich mit dem Jenseits zu vertrösten, wenn es schwierig wird.
Doch die Dinge auf ihren ‚Ewigkeitswert‘ hin zu überprüfen und danach meinen Sinn zu richten, macht mich schon jetzt und hier reich. Es lässt mich anders leben.“
Das Lied beginnt mit einer kompromisslos ehrlichen Bestandaufnahme:
Es fehlt mir hier so oft das rechte Maß.
Ich sammle Schätze, sie verdorren wie Gras.
Sobald sie vor dir liegen, sind sie nichts mehr wert.
Seltsam, dass mich das hier auf Erden oft nicht stört.
Wieviel Zeit, Energie und Gedanken wenden wir nicht auf, um Dingen nachzueifern, die es eigentlich nicht wert sind? Schätze, die keinen Bestand haben, die vergehen... Diese Schätze sind in verschiedenen Lebensphasen ganz unterschiedlich: materielle Schätze, Geld, Haus, Auto, Aussehen, Anerkennung, Ruhm, Ehre... Ich weiß ganz genau, dass all dies so vergänglich ist und dennoch scheint mich das nicht zu stören und ich sammle diese Schätze immer weiter.
Mein armes Herz, es klammert sich ganz fest
an alles, was doch nicht zu halten ist.
Doch nur wer loslässt, der empfängt von dir
Geschenke deiner Herrlichkeit – schon jetzt und hier!
„Mein armes Herz“... bedauernswert ist es, dass es die Sinnlosigkeit dieses Festklammerns nicht bemerkt... Dieses Festhalten, die Dinge im Griff behalten wollen und immer wieder spüren: es gelingt mir nicht. Kennen wir das? Nicht nur materiell, sondern auch geistig und geistlich klammern wir uns an Dinge, die angesichts der Ewigkeit keinen Bestand haben. Und erst wenn wir loslassen, kann uns Gott die Hände und das Herz füllen mit dem, was Ewigkeitswert hat...
Gewöhn mein Herz an die Ewigkeit,
der Weg dorthin ist gewiss nicht weit.
Verstand und Seele, mach sie ganz bereit!
Gewöhn mein Herz, gewöhn mein Herz
an die Ewigkeit! – An die Ewigkeit!
Ja, nur Gott selbst kann mich, meine Gedanken, meine Seele auf die Ewigkeit vorbereiten... und das ist ein „Gewöhnungs“-Prozess, ein Weg, den ich mit Gott gehe, den Gott mit mir geht.
Teil 2 (Elke von Schlichting):
Eben haben wir schon einmal von Geschenken von Gottes Herrlichkeit gehört. Geschenke!!!
Wer von uns setzt sich nicht gerne an einen großen und reich gedeckten Gabentisch? Geschenke machen froh, machen neugierig, und führen zu Wertschätzung und Dankbarkeit. Wenn wir an Gottes Herrlichkeit denken, sehnen wir uns oft nach dem, was noch kommt, die Ewigkeit, da wo alles in Harmonie und Einklang ist. Und wir sehen oft daran vorbei, dass es ja schon in dieser Welt einen ganzen Gabentisch von Geschenken von Gottes Herrlichkeit gibt?
Ich weiß, dass hier noch nicht der Himmel ist.
Doch weil du wahrer Gott und Mensch zugleich bist,
brich die Enge meines kleinen Denkens auf.
Dein Horizont ist grenzenlos, ich bau darauf.
Gottes Horizont ist grenzenlos, seine Liebe und Treue auch, und aus dieser Liebe und Treue heraus, schenkt er uns schon hier auf Erden ein Stück des Himmels, ein Stück seiner Herrlichkeit: Was sind denn diese Geschenke? Wir können da gleich an die Geistesgaben denken: Die Weisheit, Erkenntnis, Glaube, Heilung, Wunder, Prophetie, Geisterunterscheidung, Zungenrede und die Auslegung der Zungenrede. Ich selbst habe manchmal etwas Mühe meine Gabe in einer dieser Gaben zu finden, aber bin davon überzeugt, dass wir alle etwas davon geschenkt bekommen haben, sodass wir den reich gedeckten Gabentisch in unserem alltäglichen Leben finden und erkennen können.
Dein Reich bricht an, ich kann es jetzt schon sehn,
muss nicht mehr über dürre Felder gehn.
Deine vollen Hände, schütt sie bei mir aus.
Die Vielfalt deiner Gaben komm auf mich und mein Haus!
Wo ist dieser Geschenketisch? Nur in meiner Bibel? Im Gebet? Oder vielleicht direkt vor mir in meinem Alltag? Warum sehe ich ihn nicht, wenn ich morgens aufstehe und ein neuer, langer Tag vor mir liegt? Liegt es daran, dass mir einfach die Augen dazu fehlen, ihn zu erkennen?
Wo ist dieser Gabentisch und was darf ich daraus auspacken?
Wir brauchen gar nicht lange danach zu suchen. Durch die Brille der Natur lässt sich schon gleich um uns herum die Größe seiner Herrlichkeit entdecken. Die frische Morgenluft, die majestätischen Berge, das Blütenmeer, der goldene Sonnenuntergang. Es fällt einem ins Auge und erwärmt das Herz. Seht doch einfach einmal links und rechts – unsere Kinder, eingepackt in fröhlichem Geschenkpapier in bunten Farben und verschiedenen Formen, sind Geschenke Gottes, zwar geliehene Geschenke, aber dennoch wertvoll und sie rufen uns zur verantwortungsvollen und liebevollen Fürsorge. Unsere Eltern sind Geschenke Gottes – sie sind die Geschenktüten auf dem Geschenketisch, standhaft und in unterschiedlichen Größen, Vorbilder zum nachstreben und von ihnen lassen wir uns immer wieder belehren. Sie lenken uns, wenn der Weg mal holperig wird. Freunde und Familie sind Geschenke, jeder ganz individuell eingepackt und mit einer Schleife verziert, die jede Beziehung einzigartig macht, jeder mit unterschiedlichen Begabungen, die die Freundschaft wachsen lassen.
Aber das größte Geschenk fällt sofort ins Auge. Eingepackt in glänzendem Papier strahlt es im Mittelpunkt des Tisches. Es ist unser Herr Jesus Christus. Ein besseres und vollkommeneres Geschenk gibt es nicht. Gott hat die Sünde nicht gewollt, er hatte sie aber kommen sehen und für diesen schrecklichen Notfall bereits seine Vorsichtsmaßnahmen getroffen. So sehr liebte er die Welt, dass er seinen eingeborenen Sohn für uns gab, „auf das alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“ (Johannes 3,16).
Nehmen wir Jesus an, so wird uns mit Ihm auch alles andere geschenkt. Mit Ihm haben wir alles, ohne Ihn besitzen wir nichts.
Ich wünsche uns allen auf unserer Lebensreise einen Fensterplatz, damit wir Gottes Geschenke in unserem alltäglichen Leben gut erkennen, sehen und uns daran freuen können, und dass wir sie mit Dankbarkeit und Freude empfangen.
Teil 3 (Kathrin Grüneberg):
Gewöhn mein Herz an die Ewigkeit...
Und wenn ich deine Sprache nicht versteh,
bringt mir dein Geist die Worte bei.
Er öffnet mir die Augen für dein Reich
und setzt die Wahrheit in mir frei.
Gewöhn mein Herz an die Ewigkeit...
Wie auch die Hörer Jesus teilen unsere Liedverse die Hoffnung, dass Gottes Reich bald anbricht. Die Hoffnung, dass diese Welt, die so voll ist von Unrecht und Unterdrückung, von Hass und Neid, von Elend und Leid – dass diese Welt nicht Gottes letztes Wort ist, sondern dass Gott dieser Welt ein Ende setzen und sein Reich aufrichten wird. Ein Reich, in dem Menschen einander kein Leid mehr beifügen, weil sie in Eintracht leben und sich von Gottes Geboten leiten lassen. Eine Welt, in der man keinen Hass mehr kennt und kein Unrecht.
Klingt das nicht paradiesisch? Klingt das nicht zu schön, um wahr zu sein?
So denken auch heute viele Menschen, die bezweifeln, dass dieses Reich, das Jesus versprochen hat, kommen wird. Stattdessen glauben sie, es gäbe nur die Realität, in der sie leben. Eine Realität, in der sie immer wieder die Erfahrung von Zerstörung machen.
- Das mag die Erfahrung einer Liebe sein, die zerbrochen ist.
- Das mag die Erfahrung einer Freundschaft sein, die verraten wurde.
- Das mag die Erfahrung einer Krankheit sein, die unheilbar ist.
Erfahrungen von Zerstörungen, die dem Leben zugefügt werden. Und Zerstörungen haben immer eine große Überzeugungskraft. Zerstörungen machen mutlos, so dass wir sagen: „So ist halt unsere Welt, da kann man nichts machen!“ Zerstörungen lassen uns glauben, dass es für diese Welt keine Zukunft gibt, auf die man hoffen kann. Dass man sich in dieser Welt höchstens ducken kann, damit einen das Unglück nicht mit voller Wucht trifft.
„Seid nicht mutlos!“, sagt Jesus. „Ja, diese Welt ist voll von Zerstörungen. Aber diese Welt ist nicht Gottes letztes Wort. Gott wird dieser Welt mit ihren Zerstörungen ein Ende setzen und sein Reich aufrichten. Und dieses Reich ist schon unterwegs zu euch. Ja, es ist schon mitten unter euch!“ So Jesu Botschaft.
„Aber sag uns“, fragen die Pharisäer im Predigttext: „Wann kommt das Reich Gottes?“ Jesus antwortet ihnen: „Es kommt nicht so, dass man es beobachten oder sagen kann: `Hier ist es! ´ oder `Dort ist es! ´“ Wir können nicht in Ereignissen der Geschichte erkennen, ob diese Welt zu Ende geht und das Reich Gottes anbricht.
Vermutlich werden die Pharisäer damals nachgehakt haben: „Aber dann sag uns: Wann kommt das Reich Gottes?“ Und wahrscheinlich werden die Pharisäer auf Jesu Entgegnung „Es ist schon mitten unter euch!“ geantwortet haben: „Mitten unter uns? Schau dir doch diese Welt an. Sie ist unerlöst. Überall begegnet uns Unrecht und Hass und Leid. All das soll es doch im Reich Gottes nicht mehr geben. Wie kannst du da sagen: `Das Reich Gottes ist mitten unter euch?“
Die Pharisäer damals begreifen nicht, dass das Reich Gottes zwar noch nicht da ist, aber dass es unterwegs ist, dass es im Anbrechen ist.
In Jesu Person bricht es an. In Jesu Handeln kann ich es schon erleben. In dem, was Jesus tut und sagt, kann ich das Reich Gottes schon erfahren.
- Wenn Jesus Menschen heilte, dann damit ich erkenne: So wird es im Reich Gottes sein – es wird keine Krankheit mehr geben.
- Wenn Jesus Menschen satt machte, dann damit ich erkenne: So wird es sein – Menschen werden keinen Hunger mehr leiden.
- Wenn Gott ihn später vom Tod auferweckte, dann damit ich erkenne: So wird es im Reich Gottes sein – der Tod wird keine Macht mehr über mich haben. Ich werde leben.
„Das Reich Gottes ist mitten unter euch!“ heißt also: Es ist zwar noch nicht da, aber ist unterwegs. In Jesu Person bricht es an. Und Du kannst kann in deinem Leben immer wieder Spuren dieses Reiches entdecken, wenn du nur Augen und Ohren offen hältst und diese Spuren auch wirklich wahrnimmst:
- Wenn Menschen es schaffen, die bitteren Worte, die gefallen sind, und die Wunden, die ihnen zugefügt wurden, beiseite zu schieben und wieder zueinander finden, dann sind das Spuren des Reiches Gottes!
- Wenn Fremde in dem Augenblick, da sie Brot und Wein teilen, begreifen: „Wir gehören zusammen als Bruder und Schwester!“, sind das Spuren des Reiches Gottes!
- Wenn ein Mensch, dem die Ärzte keine Hoffnung mehr gaben, gesund wird, sind das Spuren des Reiches Gottes!
- Aber genauso: Wenn ein Mensch nicht geheilt wird von seiner Krankheit, aber seinem Sterben entgegengehen kann mit dem Wissen: Ich bin gehalten! Ich bin getragen! Sind das Spuren des Reiches Gottes!
- Wenn ich immer wieder aufs Neue erlebe, dass mir die Kraft geschenkt wird, meinen Alltag zu bestehen, dann sind das Spuren Gottes!
Wir leben zwischen den Zeiten, zwischen Anbruch des Reiches Gottes und seiner Vollendung. Das hält unsere Hoffnung lebendig. Gott ist in uns, ja, er ist schon da: in unserem Innern, in unserem Handeln und in unserer Gemeinschaft. Und gleichzeitig lässt er sich niemals festlegen.
Es gibt Zeiten, in denen sich alles zu großer Klarheit zusammenfügt, wo Himmel und Erde im Licht des Reiches Gottes sichtbar werden. Danach kann es wieder Zeiten der Dunkelheit geben und Phasen des Zwielichts. Aber das soll nicht so bleiben. Es wird wieder Zeiten neuer Klarheit geben. Zeiten, in denen mehr als jetzt sichtbar wird vom Reich und vom Willen Gottes, für den Himmel und die Erde, und in denen der Zusammenhang deutlicher wird zwischen unserem Leben und dem, was Gott mit uns vorhat.
Bis dahin sollen wir uns aber getrost halten an das, was wir schon gesehen und gehört haben und was Gott uns hat schauen lassen; die Erfahrungen unseres Lebens, in denen uns der Glaube nahe gekommen ist. Und, dass wir über Zeiten der Unklarheit hinaus zu neuer Klarheit kommen, darum lasst uns nun bitten. Verwöhn mein Herz, verwöhn mein Herz – mit deiner Herrlichkeit.
Amen.