(Predigttext: Jak 5, 7-8)
7 So seid nun geduldig, liebe Brüder, bis zum Kommen des Herrn. Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und Spätregen.
8 Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen; denn das Kommen des Herrn ist nahe.
Liebe Gemeinde!
Vorfreude, so sagt man, soll ja angeblich die beste Freunde sein. Am Besten kann man das natürlich bei den Kindern beobachten. Sie zählen gerne ungeduldig die Nächte, bis etwas besonders passiert, auf das sie warten, sei es der Geburtstag, die Bescherung am Heiligen Abend oder bis die Oma aus Deutschland zu Besuch kommt. Die klassische Frage, jedenfalls bei uns zu Hause ist dann immer: Wie oft muss ich noch schlafen, bis...? Meistens ist die Vorfreude mit einen ganz besonderen Gefühl in der Magengegend verbunden, die man als kribbeln bezeichnen kann. Bei uns Erwachsenen soll das ja auch noch vorkommen, aber vermutlich eher selten, bei Kindern ist es – jedenfalls nach meinen Beobachtungen in unserer diesbezüglichen häuslichen Versuchtsanordnung – außerordentlich ausgeprägt.Jakob meinte zum Beispiel kürzlich, vor seinem Geburtstag: „Bei mir kribbelts so im Bauch, dass ich hopsen muss“ – was natürlich abends das Einschlafen ehr schwierig macht.
Und natürlich kann man auch die Frage verstehen: „Warum kann es denn nicht gleich sein! Warum muß ich denn noch soooo lange warten!“ Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, ist diese Frage in der Tat nicht unberechtigt. Natürlich ist es schön sich zu freuen, aber wenn das Warten sich in die Länge zieht, dann zehrt das schon an der Geduld. Die Geduld ist gewissermaßen der Zwilling der Vorfreude, unbedingt nötig, um die Ruhe zu bewahren, eben nicht nur auf dem Bett zu hopsen. Aber auch die Geduld währt in der Regel nicht ewig. Man kann sie dann bewahren, wenn das Ziel im Blick bleibt, aber wenn es zu lange dauert, dann wird es schwierig.
Also: Warum dauert es eigentlich oft so lange? Warum wird unsere Geduld so auf die Probe gestellt, dass die Vorfreude verschwindet? Naütrlich gehört Warten zum Leben. Aber im Advent, der ja auch eine Warte- und Vorbereitunszeit ist, ist das Ziel klar: 24.12., abends, darauf kann man sich einrichten. Aber wenn es dann viel länger dauert?
Und losgelöst vom Advent: Warum ist das Leben so eingerichtet, dass nicht auf der Stelle geschieht, wonach wir uns sehnen und was wir uns wünschen! Oft denken wir ja, dass auf auf Knopfdruck fast alles sofort zu haben sei. Und wenn es einmal nicht geht, aus welchem Grund immer, ist der Kummer und oft auch die Klage groß.
Warten, sich gedulden, einen langen Atem haben, ihn gebrauchen, um durchs Leben zu kommen - das ist Aufgabe von all denen, die Kindern ins Leben hineinhelfen wollen. Kinder müssen das mühsam lernen, und wir Erwachsenen erst recht. Das gilt dann nicht nur für unser eigenes Leben, sondern ebenso für die Probleme, mit denen wir uns in unserem Land und ebenso in der doch recht unsicheren Weltlage herumplagen müssen. Einfache Lösungen sind auch wenn es schmerz, eher unwahrscheinlich. „Politik“, so hat es der große deutsche Soziologe Max Weber einmal formuliert, „bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß.“ Vermutlich gilt das ebenso für das eigenen Leben, jedenfalls wenn man ihm eine Bedeutung, ein Ziel geben will.
Der große Zauberer, der durch einen lauten Knall alle Wünsche in Erfüllung gehen lässt, er bleibt dem Märchen vorbehalten. Und auch Gott sollten wir uns nicht als sochen großen Zauberer und Wunscherfüllungsautomaten vorstellen. Denn Das Leben, das wirkliche Leben, lebt von Entwicklung, vom langen Atem, von der Geduld. Da guckt uns ein gerade zur Welt gekommenes Menschlein freundlich an und steckt uns an mit seinem Lächeln und seinem Liebreiz. Aber wieviel Fürsorge, Tag für Tag eintönige Alltagsarbeit ist nötig, bis in fast 20 Jahren aus einem solchen Menschlein ein erwachsener Mensch wird. Wieviel elterliche Sorge ist zu ertragen, wieviel ratlose Stunden sind durchzustehen, wieviel Unvorhersehbares muss ausgehalten werden! Wachsen muß das Menschlein, die eigenen Fähigkeiten entdecken lernen, vom Kriechen zum Krabbeln, vom Sitzen zum Stehen und schließlich zum Gehen, zum Laufen finden - von der spielerischen Phantasie hin zur Kreativität eines Erwachsenen, um nur ganz wenige Stichpunkte zu nennen. Ein langer Atem ist da nötig, für Eltern und Erzieher genauso wie für den werdenden Menschen selber, der allzugern mit einem Knall groß und erwachsen würde und die Probleme von Jugend und Pubertät weit hinter sich ließe!
Jakobus drückt das mit einem anderen Bild aus. Er redet nicht vom langamen Bohren dicker Bretter, sondern nimmt das Bild eines Bauern. Der sät, aber er kann eben auch nicht an einer Pflanze ziehen, damit die schneller wächst. Wachsen geschieht im Verborgenen, in der Ruhe, im "Gelassen werden". Und dieses Jahr für Jahr vom Landwirt geforderte Warten ist auch ihm nicht in die Wiege gelegt. Meistens ist es so, wie in dem Witz vom Gebet eines Ungeduldigen: „Herr, gibt mir Geduld, aber zackig!“ Nur: zackig, sofort ist meistens nicht. Nur wenigen Menschen ist gegeben, aus freien Stücken Gelassenheit zu praktizieren. Die meisten müssen es sich doch mühsam erarbeiten, dieses Loslassen, Geschehen Lassen, dies Vertrauen darauf, dass doch gut wird, was im Augenblick noch wenig Gutes erkennen lässt.
Was für das Leben auf dieser Welt gilt, gilt genauso für unsere Beziehung als Christen zu Gott. Es ist sehr menschlich, wenn wir uns einen machtvollen Gott wünschen, der seine für alle sichtbare Macht deutlich erweist und es damit allen einfach macht, ihn zu erkennen. So etwas haben sich die ersten Christen vorgestellt, und es ist sehr menschlich, dass sie es sich so vorgestellt haben: Sie haben sich vorgestellt, dass ganz bald, noch zu ihren Lebzeiten, Christus in all seinem Glanz und seiner Hoheit, seiner göttlichen Macht und Größe auf die Erde zurückkehren und damit für alle sichtbar seine Herrschaft der Liebe aufrichten würde. Und wie nun einer nach dem anderen in der christlichen Gemeinde sein Leben beendet, ohne dass das von allen erwartete Ereignis des zweiten Kommens Christi eingetreten wäre, da findet der Apostel die Worte der Mahnung zur Geduld: Alles Leben auf dieser Welt braucht Geduld. Auch wir brauchen sie in unserem Verhältnis zu Gott. Er lässt sich nicht zwingen, schon gar nicht zu einem gewaltsamen Erweis seiner Macht. Für uns freilich wäre es einfacher, wenn Gott so mit uns und der Welt umginge. Wir hätten viel weniger Mühe und Arbeit, wenn er die unlösbaren Konflikte dieser Welt mit einem Schlag beseitigte, mit einem Schlag ein Reich der Liebe und des Friedens aufrichtete.
Offensichtlich aber - und das scheint mir die eigentliche Herausforderung der Mahnung zur Geduld für heute zu sein - offensichtlich aber legt Gott in unsere Hände die mühselige Arbeit, sich der mannigfachen Probleme und Konflikte dieser Welt anzunehmen. Durch uns bricht etwas von seiner Barmherzigkeit und Liebe in diese Welt herein, immer da, wo wir in seinem Geiste zu handeln suchen. Alle die, die bewußt ihr Leben gestalten, stoßen wieder und wieder an ihre Grenzen: Zu groß, zu viel sind der Aufgaben, die angegangen werden müssen. Ein riesenlanger Atem ist gefragt. "Seid nun geduldig, verfallt nicht in Resignation, es ist niemandem damit geholfen!" Die "köstliche Frucht" eures geduldigen Einsatzes im Namen Jesu Christi wird auch euch nicht vorenthalten werden. Vielleicht nur in Miniportiönchen. Vielleicht lange, lange nicht, aber dann doch womöglich völlig überraschend. Auf einmal erkenne ich im Bruder, der Schwester, denen ich begegne, für die ich mich einsetze, Christus. Ich werde erfüllt von neuer Zuversicht, die kein Mensch künstlich machen kann, sondern die nur und ausschließlich Geschenk ist.
Die Adventszeit will uns die Kunst des Wartens neu lehren. Und sie will diese Geduld des Warten mit der Vorfreude verbinden, auf den, der da kommt. Wenn wir uns Christus in Geduld öffnen, werden wir ihm begegnen. Manchmal wird uns mehr abverlangt als die paar Nächte des Wartens bis zum Heiligen Abend. Aber gerade dann gilt die Zusage unseres Predigttextes, dass der Geduld, dem langen Atem, eine Verheißung innewohnt. Kein lauter Knall - wohl aber die Leisen Dinge, die sich da begeben zwischen Mensch und Mensch, zwischen Mensch und Gott. "unser Herr kommt" haben Christen aller Zeiten sich gegenseitig zugerufen. "Unser Herr kommt auf uns zu." - Die Heilige Schrift ist voll von Zusagen über Gott, der seine Welt nicht dem Verderben anheimgibt. Einige Verse weiter im Jakobusbrief heißt es: "Denn der Herr ist barmherzig und ist ein Erbarmer". Ohne solche Zusage wäre der Berg an Aufgaben und Problemen, der sich vor uns als einzelnen Menschen und als Christen in dieser Welt auftürmt, nicht zu bewältigen. Aber das ist ja unser Vorrecht als Christen, dass wir glauben und wissen: "ER kommt auf uns zu, und er ist der Gott des Erbarmens und der Liebe".
Amen.