2016-01-24 - Septuagesimae - Pastor Dr. Christian Nottmeier

(Predigttext: 1. Korinther 9, 24-27)



23 Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben.

24 Wisst ihr nicht, dass die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, dass ihr ihn erlangt.

25 Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen.

26 Ich aber laufe nicht wie aufs Ungewisse; ich kämpfe mit der Faust, nicht wie einer, der in die Luft schlägt,

27 sondern ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn, damit ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde.


Liebe Gemeinde!


Heute geht es um Sport. Am liebsten würde ich jetzt natürlich über Rugby reden. Für alle Bundesdeutschen, die mit der Feinheit noch nicht vertraut sind: Rugby funktioniert so. Jeweils 15 Leute laufen 2 mal 40 Minuten einen merkwürdig eiförmigen Ball nach, der gekickt wie geworfen werden darf – nach vorne allerdings nur gekickt und geworfen werden darf – und am Ende gewinnt Neuseeland. Das Dumme ist nur: Rugby kommt in der Bibel nicht vor. Cricket leider auch. Und auch Fußball ist eine Erfindung des 19.Jahrhunderts und ist darum in der Bibel nur schwer zu finden. Mannschaftssport findet man generell nicht in der Bibel, sondern wenn, dann sind es eher Sportarten, bei denen man gleichsam auf sich gestellt ist. Das gilt besonders für die Disziplinen der Leichtathletik. Hier ist es besonders der Langstreckenlauf, der Erwähnung findet. Das überrascht nicht, denn in dem olympischen Spiel der Antike war er gewissermaßen die Königsdisziplin. Wir wissen übrigens, dass es damals auch schon Sportwetten gab, nicht nur beim Pferderennen, sondern ebenso für olympische Einzeldisziplinen.

 

Es ist also kein Wunder, dass Sport auch in der Bibel vorkommt. V.a. Paulus benutzt dieses Bild gerne, etwa im 1. Brief an die Korinther, aus dem unser Predigttext entnommen ist.


Paulus also als Läufer in einem antiken Stadion, der Runde um Runde absolviert. Der um jeden Preis am Ende als Sieger dasteht, denn nur einer kann in einem solchen Rennen gewinnen. Und Paulus als einer, der dafür Entbehrungen auf sich nimmt, der hart trainiert und übt, zu Opfern bereit ist. Hauptsache Gewinnen.
Das klingt auf der einen Seite recht befremdlich. Beim Sport solls – so sagen manche – doch nicht nur ums Gewinnen gehen. Dabeisein, mitmachen, ist doch auch schön. Hochleistungssport hat Schattenseiten, nicht nur da, wo gedopt und betrogen wird. Das wissen wir aus der Presse. Der Erfolg kann Millionen mit sich bringen, Werbeverträge, Showauftritte, aber die Gefahr droht auch, dass der Sport selbst dabei aus dem Blick gerät, ja seine Seele verliert.


Auf der anderen Seite: Paulus nimmt seinen Glauben ernst, seine Beziehung zu Christus. Alles, was er hat, will er dafür einsetzen, so verlockend ist der Preis, ganz zu Christus zu gehören.


Paulus sagt das übrigens in einer Situation, in der unter Druck ist, in der er gleichsam den Atem anderer im Nacken spürt. Denn Paulus wird angefochten, angefeindet. Die Gemeinde in Korinth kritisiert ihn. Sie meinen, er ist nicht der richtige für sie. Vielleicht spricht er nicht gut genug griechisch, vielleicht ist er nicht smart genug, vielleicht stört manchen seine Botschaft, aber ebenso die kantigen Seiten seiner Person: aufbrausend, eigenbrötlerisch, insgesamt jedenfalls kein smarter, aalglatter Typ. Paulus Motivation ist jedenfalls nicht der persönliche Erfolg, es geht ihm nicht um Höchstleistungen an sich oder olympische Rekorde und erst recht nicht um lukrative Werbeverträge. Ihm geht es darum, dem Ruf Gottes, wie er ihn für sich versteht, gerecht zu werden: „Alles aber, was ich tue, tue ich um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben.“


Um das zu verdeutlichen, wählt er, der Jude, das Beispiel des Sports. Den Juden galt Sport als Übel – ein Körper- und damit letztlich ein Götzenkult, das warfen sie Griechen und Römern vor. Paulus ist da entspannter. Er sieht die nützlichen, die guten Seite darin. Und er nutzt es in einer Gemeinde aus Griechen, bei diesen Erfahrungen anzuknüpfen. Wenn ihr ein Rennen lauft, dann bereitet ihr euch auch vor, ihr trainiert, ihr konzentriert euch, ihr übt auch Verzicht auf alles, was euch von dem Lauf abhalten könnte.


Für Paulus wird der Sport so auch zu einem Bild des Glaubens. Natürlich betont Paulus, dass der Glaube eine Geschenk, eine Gabe ist. Aber er sagt auch: keiner soll sich auf diesem Geschenk einfach ausruhen. Das war vermutlich die Versuchung der Korinther. Sie sahen sich auf der sicheren Seite. Aber damit, so Paulus, wird man nicht weit kommen. Ein Glaube, der nicht geübt, bewahrt und gelebt wird, der wird vergehen, bedeutungslos werden. Unser Leben als Christen gleich vielmehr einem Lauf, der auch immer wieder neue Herausforderungen bringen wird. Nicht alles ist auf einmal für immer gut. Wir leben in der Spannung von erlöst, aber noch nicht vollendet.


Paulus meint dann wohl auch: ein Lauf braucht Übung und Disziplin. Da ist dann gar nicht der Gegner der entscheidende Maßstab. Es geht gar nicht darum, andere zu besiegen oder zu übertrumpfen. Sondern es geht darum, die eigene Trägheit zu überwinden, die eigene Bequemlichkeit, die eigenen Grenzen. Dann, so Paulus, wird der Lauf ein Lauf zu sich selbst, zu denen eigenen Grenzen und Kraftquellen und damit auch zu Gott.


Und schließlich: Man muss das Ziel im Auge behalten. Das Ziel gibt dem Lauf seinen Sinn. Wir laufen nicht ins Blaue hinein, ins Ungewisse, ins „Mal-sehen-was-da-kommt“. Wir laufen auf etwas zu, das sich lohnt, jede Anstrengung, jede Mühe, schreibt Paulus. Und dieses Ziel ist nicht die Selbstbeweihräucherung und Selbstvollendung, ist nicht die Krönung unserer Verdienste.


Der Glaube ist kein selbstgefälliges Leben. Der Glaube zeigt sich im Tun. Dabei geht es nicht um Werkgerechtigkeit, sondern darum, mich in meinem christlichen Alltag mit meinem ganzen Mensch-Sein einzusetzen. Christsein heißt Verantwortung zu übernehmen; den Glauben umzusetzen in selbstlose Taten für das Heil und Wohl der Mitmenschen.


Dazu freilich, auch das weiß Paulus, gibt es die Grundlage der einen Gotteserfahrung, um Lust auf das Ziel zu bekommen. Dass da nämlich ein Gott, ein Sinn, ein Ziel ist in meinem Leben. Ein Gott, der es gut mit mir meint, der mich in Gnaden annimmt, der mich von allen Seiten umgibt und seine schützende Hand über uns hält, wie wir es in Kieras Taufspruch gehört haben.


Natürlich, das Bild vom Lauf in der Kampfbahn hat auch seine Grenzen. Es geht nicht um Glaubensegoismus, nicht darum, sich in Heiligkeit – oder soll ich sagen: Scheinheiligkeit – zu übertrumpfen, als könne man an meinen Lebenserfolg gewissermaßen erkennen, wie lieb – oder auch nicht – mich Gott hat. Würde Paulus heute leben, würde er vermutlich einen Mannschaftssport als Beispiel nehmen. Denn gemeinsam und nicht allein sind wir auf unserem Lauf unterwegs. Und wäre Paulus Südafrikaner, dann wäre es natürlich Rugby.


Ich sage das übrigens nicht nur um der schönen Pointe am Schluss der Predigt willen, sondern mit einem ernsten Hintergedanken. Wir erleben in den letzten Tagen erhitzte Debatten über echten und vermeintlichen Rassismus, oft sehr einseitig geführt, verletzend, spaltend und so hoch gefährlich. Dabei ginge es doch mehr um Miteinanderreden, um Aufeinander zugehen, um Versöhnung. Paulus hat sich als ein Botschafter der Versöhnung verstanden, zwischen Juden und Heiden, zwischen Gott und den Menschen. Deshalb hätte ihm vielleicht die Geschichte von der südafrikanischen Rugbyweltmeisterschaft 1995 gefallen. Lange galt Rugby als Sport der Weißen, in den Zeiten der Rassentrennung durften Schwarze nicht mitspielen. 1995 – ein Jahr nachdem Nelson Mandela erster schwarzer Präsident des Landes wurde – fand die Rugby-Weltmeisterschaft in Südafrika statt. Die Südafrikaner galten eher als Außenseiter. Und gewannen schließlich das Finale gegen Neuseeland. Mandela erschien zu allen Spielen im grün-goldenen Springbocktrikot. Als er den Pokal dem weißen Kapitän der Springboks überreichte, gingen diese Bilder um die Welt. Die Fans im Stadion, mehrheitlich weiß, riefen: „Nelson, Nelson, Nelson.“ Schwarze und Weiße feierten vereint vor den Bildschirmen und auf den Straßen. Die Bilder sagten damals mehr über Versöhnung und Vergebung als Worte.


Ob Paulus dann in seinen Briefen auch von solchen Ereignissen geschrieben hätte, das weiß ich nicht. Aber dass Sport, der Menschen zusammenführt und Trennendes hinter sich lässt, der zu Versöhnung beiträgt, eine gute Gabe Gottes ist, dass dieser Gedanke Paulus gefallen hätte, davon bin ich überzeugt.


Amen.

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