2016-03-06 - Lätare - Pastor Dr. Christian Nottmeier

(Predigttext: 2 Kor 1, 3-7)

3 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes,

4 der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott.

5 Denn wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus.

6 Haben wir aber Trübsal, so geschieht es euch zu Trost und Heil. Haben wir Trost, so geschieht es zu eurem Trost, der sich wirksam erweist, wenn ihr mit Geduld dieselben Leiden ertragt, die auch wir leiden.

7 Und unsre Hoffnung steht fest für euch, weil wir wissen: wie ihr an den Leiden teilhabt, so werdet ihr auch am Trost teilhaben.


Liebe Gemeinde,

 

Lätare, freuet euch. „Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über Jerusalem, über alle, die ihr lieb habt. Freuet euch mit ihr, alle, die ihr über sie traurig seid.“ Von diesen frohen Worten aus dem Buch des Propheten Jesaja stammt der Name unseres Sonntages Lätare. Wenige Verse später folgt dann übrigens der Vers, der uns als Jahreslosung begleitet. Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.

 

Also freuet euch. Mitten in der Passionszeit stellt der Sonntag Lätare ein kleines vorweggenommenes Osterfest dar. Aufatmen gleichsam auf dem Weg der Passion, einen Ausblick nehmen, wenn auch nur kurz, darauf, dass Karfreitag nicht ein Ende, sondern ein neuer Anfang sein wird. Wie in dem Wochenspruch, den wir gehört und gesungen haben. Das Korn mag vergehen, aber es kehrt verwandelt wieder, bringt neue Frucht.

 

Lätare also – ein Sonntag, der zwischen Freude und Trost gleichsam schwankt. Freude und Trost, aber keine Vertröstung. Freude, die auch um das Schwere weiß, und weil sie das tut, auch echten Trost erfahren kann.

 

Freuet euch! Das könnte nämlich auch leicht missverstanden werden. Das kann ich auch missverstehen, als lieblos, als wenig hilfreich, wenn ich in einer schwierigen Situation im Leben bin, wenn ich den Arbeitsplatz verloren habe, wenn ich von einer Krankheit heimgesucht bin oder um einen lieben Menschen trauere. Ein leichtfertig dahingeworfenes „Freue dich“ wirkt da mitleidlos, fast zynisch. Wir könnten das gleiche mit Blick auf unser Land sagen. Freue dich! Aber worüber denn bitteschön: über die Situation an den Universitäten, über den Stand des Wechselkurses, über die zunehmenden Rassenspannungen? Natürlich, da ist und bleibt auch positives. Menschen zum Bespiel, die an den Universitäten miteinander beten statt Steine zu werfen. Aber ob das reicht?

 

Freue dich und lass dich trösten, das setzt bei Jesaja wie auch in anderen biblischen Texten erst einmal voraus, dass man die Situation ernst nimmt. Freue dich, das ist wie ein erstes Licht, das am Horizont aufscheint, es ist aber kein: alles wird gut. Nur wenn man das im Blick hat, kann ein solches „Freue dich“ auch zum Trost werden. Trost ist genauso lebenswichtig wie Brot. Wir sind eine Trostgemeinschaft, schreibt Paulus an die Gemeinde in Korinth, die davon lebt, von Gott Trost zu empfangen und andere zu trösten.

 

Trost - dieses Wort hat ja oft eher einen negativen Beigeschmack: Trostpreis - Trostpflaster trostlos- Vertröstung - nicht ganz bei Trost sein - sich über etwas hinwegtrösten. Als ginge es bei Trost und trösten darum, über etwas hinwegzugehen, was schmerzt, von Gefühlen wegzukommen, die unangenehm sind. Wer von uns möchte in diesem Sinne schon trostbedürftig sein?

 

Kinder können das gut. Wenn unser sechsjähriger Sohn sich wehgetan hat und sich nicht genügend verstanden fühlt in seinem Schmerz, kann er sehr heftig werden. "Du tröstest mich ja überhaupt nicht!" schimpft er dann und klagt damit den Trost, den er braucht, ein.

 

Aber wir Erwachsenen? Wir haben es sehr viel schwerer, uns und anderen einzugestehen, dass wir trostbedürftig sind. Wir tun uns schwer, anderen zu sagen, wenn es uns schlecht geht. Es ist fast peinlich, andere Menschen zu brauchen. Und so bleiben wir ungetröstet. Bleiben allein mit der ungestillten Sehnsucht, jemand möge uns zuhören, uns in den Arm nehmen, uns unsere Tränen abwischen. Bleiben trostlos allein mit unserem Kummer. Allein in unserer Trübsal.

 

Für Paulus ist es keine Frage, dass er und seine Weggenossen trostbedürftig sind und ebenso klar ist es, dass die Christen in Korinth, an die er schreibt, Trost nötig haben. Er schreibt: "Gelobt sei der Gott alles Trostes, der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir trösten können, die da sind in allerlei Trübsal mit dem Trost, mit dem wir selbst getröstet werden von Gott.“ Gott tröstet uns damit wir andere trösten können. Die Christen in Korinth – das weiß er - mögen diese Töne nicht. Trübsal und Trostwaren sind für sie keine angenehmen Töne. Sie wollen eine strahlende, starke Religion, die in der Konkurrenz mit anderen Religionen gut dasteht. Sie wollen einen starken Apostel. Sie hätten ihren Paulus gern strahlender gehabt, nicht als jemand, der so offen von seinen Schwächen und seiner Trostbedürftigkeit spricht. Trübsal blasen, mögen sie nicht. Sie wollten lieber vom auferstandenen Christus hören als von seinen Leiden und seinem Kreuz. Sie möchten auch nicht an ihre eigenen Schwächen und Bedürftigkeiten, an ihre Trübsal erinnert werden.

 

An diesem Punkt setzt sich Paulus mit seinen Korinthern leidenschaftlich auseinander. Der ganze 2. Korintherbrief ist von dieser Auseinandersetzung geprägt. Der Trost, den wir nötig haben, Trost, der wirklich tröstet,- schreibt er - kommt nur von dem, der selbst durch Leiden und Tod hindurchgegangen ist. Trost ist billiger nicht zu haben: "Denn wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus".

Paulus weiß um die Brüchigkeit des Lebens. Er hat selbst immer wieder bitter erfahren müssen, wie bedroht von außen und von innen sein Leben war. Er kennt die dunklen Abgründe, kennt Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Und jeder, der solche Situationen kennt, weiß, dass dann keine billigen Kopf-Hoch-Parolen helfen. Trösten kann dann nur, wer selbst um seine Trostbedürftigkeit weiß und sich trösten lässt. Jemand, der weitergibt, was er selbst empfangen hat. Ein trostloser Tröster, wer versucht zu trösten, ohne selbst getröstet zu sein. Wer geben will ohne zu empfangen kann nicht wirklich trösten. Tröstlicher Trost geschieht, wo jemand etwas weitergibt, von dem er selbst lebt, was er selbst erlebt hat.

 

Das setzt voraus, dass ich das eigene Leiden nicht verdränge. Dass ich vor meinen dunklen Seiten nicht davonlaufe sondern mich ihnen stelle. Dass ich Krisen auch als Chance begreifen kann, in denen mir Neues zuwächst. Trösten und getröstet werden. Verstehen und verstanden werden. Leid mitteilen und teilen. Wo das gelingt, werden Zeichen gesetzt. Kleine Zeichen manchmal, aber Zeichen, die Kraft haben und ausstrahlen. Wir brauchen diese Zeichen. Trost ist genauso lebenswichtig wie das tägliche Brot.

 

Die ursprüngliche Wortbedeutung des Wortes "Trost" meint etwas ganz Handfestes und Brauchbares: Festigkeit, Sicherheit, Vertrag, Bündnis, Treue. Trösten heißt soviel wie eine Bürgschaft leisten. Wer tröstet, stellt sich persönlich zur Verfügung. Er will ein zuverlässiger Partner sein in schweren Situationen. Und wer sagt, dass er Trost braucht, ruft nach jemandem, der ihm zuverlässig zur Seite steht.

 

Ich will dich trösten, wie einen seine Mutter tröstet - so verspricht es Gott, den Paulus den Gott allen Trostes nennt. Für mich ist das ein warmes, unmittelbar ansprechendes Bild. Es ruft alte Erfahrungen wach und weckt Sehnsucht Die Sehnsucht, nicht allein zu sein, die Sehnsucht, auch und gerade in schweren Zeiten einen Arm zu haben, in den ich mich flüchten kann. Das Bild für Geborgenheit schlechthin. In diesem Bild liegt ein Versprechen. Gott sagt: Ich bin da, wenn du mich brauchst. Ich sehe deinen Schmerz und halte dich in meinem Arm. Neben der Nähe, der Geborgenheit, liegt darin aber ebenso die Aussicht darauf, dass es wieder besser werden wird, dass der Schmerz vergeht und das Leben weitergehen wird. Der Trost, der den Schmerz ernst nimmt und die Hoffnung, dass es auch wieder besser werden wird, das liegt in diesem Bild von der als der tröstenden Mutter ganz nah beieinander.

 

Natürlich wissen wir auch, dass nicht jeder Schmerz so schnell vergehen wird, wie die Kratzer am Knie, die sich ein Kind auf dem Spielplatz zuziehen kann. Die Proteste an den Universitäten zeigen das ja auch.

 

Und trotzdem spricht Gott: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ Gott ist treu, wie eine Mutter, die ihrem Kind tröstend zuraunt: „Ich bin ja hier!“ In seiner Tiefe drückt dieses Bild etwas aus über Gottes bleibende Zuwendung zu uns Menschen. Zum Trost gehört neben der Zuwendung und Nähe auch das Versprechen, dass das Leid sich wenden wird. Die Mutter, die ihr weinendes Kind im Arm hält, kann dieses Versprechen geben, denn sie kann weiter sehen als auf das aufgeschlagene Knie. Sie weiß, dass es heilen wird, und kann darum sagen: „Gleich wird es besser!“

 

Der Gott alles Trostes verspricht also, mit seinem Trost für uns da zu sein. Er ist der Vater Jesu Christi, der mit seinem Leiden und Sterben alle Tiefen der Trostlosigkeit durchlebt und durchlitten hat. Kann es etwas Tröstlicheres geben als seine Einladung und Zusage: " Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“?


Amen.

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