2016-05-15 - Pfingstsonntag - 25 Jahre Grundsteinlegung der Johanneskirche - Pastor Dr. Christian Nottmeier

(Predigttext: Joh 8,12)


Jesus Christus spricht: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern das Licht des Lebens haben. 


Liebe Gemeinde! 

 

25 Jahre sind im Leben eines Menschen eine lange Zeit. Wenn wir einigermaßen bewahrt sind, dann ist im Leben vielleicht die dreifache Zeitspanne gegeben, mit viele Segen ein paar Jahre her. Auf der einen Seite ist es eine lange Zeit, auf der anderen Seite hat man manchmal das Gefühl, sie sind schnell verflogen – „als flögen sie dahin“ – heißt es im 90. Psalm, der über die Kürze unseres Lebens nachsinnt. Wo waren wir, was haben wir getan vor 25 Jahren? Hier in Südafrika hatte gerade der Übergang begonnen, mühsam, mit viel Angst, Vorsicht und Befürchtungen. Man konnte hoffnungsvoll, aber ebenso ängstlich in die Zukunft sehen. Es war nicht klar, wohin die Reise gehen würde. Umso wichtiger, ja beachtlicher war es da, mit diesem Unternehmen, dem Bau einer neuen Kirche voranzuschreiten. Die Bilder, die ihr gleich sehen werdet, zeigen etwas davon. Man sieht übrigens auch einen frisch gewählten Präses bei einer seiner vermutlich ersten Amtshandlungen und einen jungen, dynamischen Vorsitzenden des Kirchenvorstandes… 

 

Wo waren wir vor 25 Jahren, persönlich und privat, mit der Familie, im Beruf, in diesem Land, auch als Kirche und Gemeinde? Dazu ließe sich viel erzählen, und dazu soll auch im Rahmen dieses Festjahres, das wir mit diesem Gottesdienst eröffnen, Gelegenheit sein. 

 

Wenn wir nun heute, wieder an Pfingsten, dieser Grundsteinlegung gedenken, dann müssen wir in der Tat auch fragen, was eigentlich die Grundlagen sind, nicht nur eines realen Gebäudes, sondern einer Gemeinschaft, einer Gemeinde, die nicht nur nostalgisch zurück, sondern ebenso zukunftszugewandt nach vorne schauen will. Deshalb ist es gut, an den Grundstein zu erinnern, den ihr rechts von der Kirchentür sehen könnt. Er soll uns ja nicht nur an einen Tag vor 25 Jahren erinnern, sondern ebenso eine Botschaft überbringen, ja, sie wach halten. Nicht zufällig heißt die Kirche wie die Gemeinde ja auch noch Johannesgemeinde, trägt also dieses Wort auch mit ihn ihrem Namen. 

 

Unser Wort lebt von der Gegenüberstellung von Licht und Finsternis". Ein Gegensatzpaar, das jeder kennt. So sehr man ab und an ein Dämmerlicht mag, vielleicht sogar manchmal froh ist, wenn das eigene Tun im Dunkeln bleibt - wir sehnen uns als Menschen, wie alles, was lebt, nach Licht. Licht ist die Voraussetzung unseres Lebens. Ohne Licht kann auf Dauer nichts existieren. 

 

Es kommt nicht von ungefähr, dass der Schöpfungsbericht als erstes Werk Gottes die Erschaffung des Lichtes erwähnt. Das stimmt im Übrigen auffallend mit den wissenschaftlichen Weltentstehungstheorien zusammen, die Licht und Wasser als die Grundvoraussetzungen des Lebens ansehen. 

 

Wir brauchen Licht. Licht stimuliert uns. Licht erhellt nicht nur unsere Umwelt, sondern es hellt auch unser Gemüt auf. Wer deutsche Winter kennt, weiß, wie sehr man sich nach langen Wochen und Monaten nach der Frühlingssonne sehnt, die das erste zarte Grün aus den Bäumen und Sträuchern lockt. 

 

Die Naturwissenschaften lehren uns: Licht ist etwas. Finsternis ist nichts. 

 

Finsternis ist nichts anderes als die Abwesenheit von Licht. Sie lebt nur in der Negation. Sie hat keine Chance gegen das Licht. Selbst ein Glühwürmchen ist in der Lage, die Finsternis zu durchbrechen, eine Kerze kann einen ganzen Raum erhellen, und ein Leuchtturm hat schon manches Menschenleben gerettet, weil sein Licht die Finsternis besiegt. Licht ist immer ein Angriff auf die Finsternis. Wo Licht ist, muss die Finsternis weichen. 

 

Das Johannesevangelium sagt ganz zu Beginn: "Das Licht scheint in die Finsternis - und die Finsternis hat es nicht überwältigen können." Und wenig später: "Er ist das wahre Licht, dass alle Menschen umleuchtet, indem es in die Welt kommt." 

 

Die Aussage "Ich bin das Licht der Welt" steht im Johannesevangelium unmittelbar im Anschluss an eine dramatische Geschichte. 

 

Jesus sitzt frühmorgens im Tempel in Jerusalem. Da wird sein morgendliches Gebet unterbrochen, weil einige Pharisäer und ihre schriftgelehrten Theologen eine Frau zu ihm bringen, die sie beim Ehebruch erwischt haben. Wie sie das fertig gebracht haben erfahren wir nicht, obwohl schon eine Menge privatdetektivischer Tätigkeit dazugehört haben dürfte. Aber die moralischen Instanzen haben sich schon immer für die Betten anderer Leute interessiert. Mag's gewesen sein, wie es will - in jedem Fall wollen sie nun, dass Jesus ein Urteil über diese Frau spricht. Nach mosaischem Gesetz droht der Frau die Todesstrafe durch Steinigung. Was wird Jesus machen? - Er setzt sich auf die Erde und schreibt mit dem Finger in den Sand. Demonstrativ gelangweilt. Wie ein Kind malt er Figuren auf die Erde – vielleicht, weil er das Gebaren derer, die ihn da angehen, selber kindisch findet? 

 

Dann erhebt er sich und sagt: "Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein". Stille. Und einer nach dem anderen dreht sich um und geht. Da fragt Jesus die Frau: "Wo sind die, die dich verurteilen wollten?" - "Sie sind weg", sagt sie. Und Jesus sagt. "Dann verurteile ich dich auch nicht. Geh und sündige von nun an nicht mehr." 

 

Unmittelbar danach steht das Jesus-Wort, das uns heute beschäftigt: "Ich bin das Licht der Welt" und wenige Verse später sagt er zu Pharisäern: "Ihr richtet nach dem Fleisch, ich richte niemanden" (Joh 8,15) und anderer Stelle heißt es: Gott hat seinen Sohn nicht gesandt, um die Welt zu richten, sondern um sie zu retten. (3,17). 

 

Ihr Lieben, das Licht Jesu durchleuchtet uns. Es zieht ins Helle, wer wir sind und wie wir leben. Es enttarnt uns - und zwar alle. Die, die meinen, im Recht zu sein, richten zu können, das Recht gepachtet und die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben ebenso wie die, die meinen, im Dunkeln sei gut munkeln und es käme schon nicht an den Tag, worüber die Nacht ihren Mantel gedeckt hat. 

 

Die Frau, die die Ehe gebrochen hat diese Frau lässt Jesus nicht einfach gehen und sagt: "Ich lass mal Fünf gerade sein. War halb so wild, was du getan hast". Er sagt: "Geh und sündige von nun an nicht mehr. Ändere dein Leben. Halte dich an Gottes Gebot." 

Aber besonders stellt er die ins Licht, die sich zum Richter aufspielen wollen. "Habt ihr wirklich den Durchblick?", fragt Jesus sie. "Seht ihr wirklich klar, wie es um die Menschen steht? Ihr mögt sie nach euren Maßstäben durchleuchtet haben und diesen oder jenen Makel feststellen, den ihr nun verurteilt. Aber seht ihr sie im rechten Licht? Und vor allem: seht ihr euch selber recht?" 

 

"Ich bin das Licht der Welt." - das heißt auch: Jesus stellt alle in sein Licht. Wie wir in seinem Licht erscheinen, so sind wir in Wahrheit vor Gott: Sündige Menschen, Menschen mit Fehlern. Da sind Neid und Hass, Müdigkeit und Trägheit, Hochmut und Ignoranz, Lüge und Heuchelei. Wie viel bleiben wir einander und unserer Umwelt schuldig? Wie wenig kommt Gott selber in unserem Leben zum Zug und wie oft halten wir ihn bewusst auf Distanz? Ja, so erscheinen wir im Licht Jesu. 

 

Aber er stellt uns nicht ins Licht, um demonstrativ ein hartes Urteil an uns zu vollstrecken, sondern er stellt uns in sein Licht, in dem wir uns zugleich als die Menschen erkennen dürfen, die Gott liebt, über alles liebt, für die er alles, sogar seinen einzigen Sohn bereit ist, herzugeben. 

 

Dazu stellt uns Jesus in sein Licht, so ist er das Licht der Welt, dass er allen Menschen den Weg zum Leben zeigt und den Weg ins Leben eröffnet. Er ist nicht gekommen, die Menschen zu verurteilen und zu bestrafen. Er gehört nicht zu denen, die der Überzeugung sind, das Recht können nur aufrechterhalten bleiben, wenn die Strafen möglichst streng und ohne Gnade und am besten öffentlichkeitswirksam zur Abschreckung exekutiert werden. 

 

Jesus ist das Licht der Welt, damit wir uns und alle Menschen in seinem Licht erkennen, dem Licht der Wahrhaftigkeit, das auch die Sünde aufdeckt. Aber nun ist Jesus dieses Licht. Er, der sich selber für uns richten lässt, damit uns das Gericht nicht trifft. In seinem Licht erscheinen wir als die grundlos geliebten Kinder Gottes, von denen Gott sich wünscht, dass das Richten und Verdammen untereinander endlich aufhört, weil er selber in Christus damit ein für allemal ein Ende gemacht hat. 

 

Als Christen, als Gemeinde, sind wir aufgerufen, diesem Licht nachzufolgen. In alle Mühen unseres Alltags, in alle Ängste und Zukunftssorgen soll dieses Licht scheinen, das mit Jesus auf die Welt gekommen ist. „Das ewig Licht geht da herein, und gibt der Welt ein neuen Schein, es leucht wohl mitten in der Nacht und uns des Lichtes Kinder macht.“ 

 

Lichtkinder, das sind wir, das sollen wir sein. In Jesus Christus soll unser Leben eben nicht einfach auf sich selbst, sondern ewig in Gottes Liebe gegründet sein. Diese Gabe des Lichts kann aber nicht für sich bleiben, sondern sie beinhaltet auch eine Aufgabe, dieses Licht in die Welt zu tragen. Die Pfingstgeschichte erinnert uns daran. Was wäre aus dem Christentum geworden, wenn die Jünger ängstlich in ihrer Kammer verharrt wären? Vermutlich nicht viel oder genauer: nichts. Mit ihnen und ihren Erinnerungen wäre gestorben. Pfingsten ist deshalb zum Geburtstag der Kirche geworden, weil ein mehrfaches Wunder geschah. Gott gab den Jüngern den Mut, über ihren Glauben zu reden, so mitreißend, so mit Vollmacht, dass sich viele Menschen auf einmal taufen ließen. 

 

Bei seinem Abschied hatte Jesus zu ihnen gesagt: »Ich gehe jetzt ganz zu Gott, zu meinem Vater. Aber ich bleibe euch nahe. Ich schicke euch den Heiligen Geist. Der gibt euch Kraft und Mut. « Davon merkten sie bisher nichts. Doch plötzlich hören sie Lärm und ein lautes Brausen. Ein gewaltiger Wind und Sturm kommt vom Himmel und erfüllt das ganze Haus, in dem sie sitzen. 

 

Die Jünger selber werden erfüllt von dem Sturm, von dem Atem Gottes, der Kraft Gottes, der Liebe Gottes, vom Geist Gottes. Der Geist Gottes verwandelt die Jünger. Er gibt ihnen Mut und Kraft. Die Jünger merken, wie ihr Mut wächst. Auf einmal haben sie keine Angst mehr, sie stehen auf, sie geraten in Bewegung. Und die Jünger werden tatsächlich verwandelt. Sie sind wie von einem Feuer erfasst. Ihre Gesichter glühen, ihnen wird hell und heiß. Ganz entflammt sind sie, begeistert und aufgeregt. Sie fühlen, das ist der gute Geist Gottes, den Jesus versprochen hat. Er gibt ihnen Mut, er macht sie froh. Sie stellen sich vor die große Menge der Menschen und Petrus beginnt, ihnen die Geschichten von Jesus zu erzählen 

Das ging, weil sie nicht allein waren, sondern Gottes Geist ihnen geholfen hatte; der ist schwer zu beschreiben; manche sagen: wie Feuerzungen, andere: wie ein kräftiger Wind; vielleicht kann man ihn auch gar nicht sehen. 

 

Aber Petrus und seine Freunde haben ihn bekommen; und damit Mut und die Fähigkeit, andere zu begeistern. Die Menschen waren so begeistert, das viele sagten: ich will auch zu Jesus gehören. Und sie ließen sich taufen, um damit zu zeigen: ja, ich will auch zu Jesus gehören. Mehr als 3000, so sagt es die Bibel; und deshalb fängt mit Pfingsten auch die weltweite Gemeinschaft der Christen an; dass sich Menschen um Jesus versammeln und zu ihm gehören wollen, auch das feiern wir Pfingsten. 

 

Petrus und seine Freunde waren glücklich und dankbar an diesem Tag aus drei Gründen: denn Gott hat ihnen Mut geschenkt. Und Gott hat ihnen geholfen, dass andere sie verstehen und so die Unterschiede zwischen den Menschen nicht mehr wichtig waren. Schließlich: Gott hat ihnen andere Menschen geschenkt, die auch zu Jesus gehören wollten. 

 

Das wünsche ich uns, an diesem Festtag. Dass wir den Mut behalten, vom Licht der Welt zu erzählen. Damit Menschen getröstet, gestärkt und aufgerichtet werden. Und das Gott uns dabei mit seinem Geist begleitet. 


Amen.

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