Predigttext: Jesaja 66, 13 (Jahreslosung)
Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.
(Spielszenen: Jugenddiakonin Kathrin Grüneberg und Vorkonfirmanden)
Szene 1: Situationen, in denen wir Trost brauchen
3 Personen treten auf die Bühne, mit dem Rücken zum Publikum.
Person 1 (Kind) dreht sich um, spielt fröhlich mit einem Ball, bis es hinfällt. Es weint und schreit laut nach seiner Mama. Freeze.
Person 2 (Erwachsener) führt ein Telefonat mit Familienangehörigen. Weinend und hilflos erwähnt er, dass der Arzt ihm nicht mehr lange zum Leben gibt. Freeze.
Person 3 (Oma) hält ein Bild von ihrem kürzlich verstorbenen Ehemann in der Hand. Traurig denkt sie an die gemeinsame Zeit zurück. Sie fühlt sich sehr einsam. Freeze.
„Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“
Ich bin keine Mutter, sondern ein Mann. Und deshalb natürlich auch ein Vater. Und beides bin ich gerne, sehr gerne sogar. Ich glaube auch, dass ich als Vater auch ganz gut trösten kann. Aber es gibt dann doch Situationen, in denen ich neidisch werde und in denen mir die Beschränktheit und Unzulänglichkeit meiner Rolle als Vater bewusst wird. Ich habe dieses Problem mittlerweile ausreichend an meinen vier Kindern studieren können. Das Ergebnis ist: es liegt nicht an mir. Und es liegt auch nicht an einem meiner Kinder, weil das mich verstörende Phänomen bei allen meinen Kindern aufgetreten ist. Aber auch Forschungen im näheren wie weiteren Umfeld sind zum gleichen Ergebnis gekommen: es ist wirklich nicht meine Schuld.
Was ich meine, haben wir eben in einer der kleine Szenen gesehen und jeder Vater hat es schon erlebt: der Sohn oder die Tochter, vielleicht 2 oder 3 Jahre alt, habt eben noch wie wild auf dem Spielplatz getobt. Dann ist er gefallen, ein Schrei, das Knie blutet eine wenig. Meine Frau und ich rennen gleichzeitig auf ihn zu, die Arme offen. Zielsicher steuert das Kind die offenen Arme meiner Frau an. Er wird hochgehoben, sie streichelt ihm über das Gesicht voller Tränen, sie pustet ein wenig über die Wunde und sagt: „Ich bin ja da, das wird wieder gut. Dann gibt es vielleicht noch ein kleines Pflaster mit irgendeinem Kindermotiv und dann ist alles wieder gut.
Mich lässt das immer erstaunt und ein wenig neidisch zurück. Ich meine nämlich, dass ich das mindestens genauso gut könnte wie meine Frau. Aber bei kleinen Kinder ist es so etwas wie ein Urinstinkt, dass sie zielstrebig die Mutter anstreben. Das Bild für Geborgenheit schlechthin.
Wir Menschen sind trostbedürftige Wesen. Aber es fehlt uns schwer, Trost zu finden. Das muss nicht unsere Schuld sein. Es gibt Situationen, in denen Trost sich nur schwer einstellt. Auch das haben wir gesehen und erfahren wir. Der Tod eines Menschen kann eine solche Situation sein. Da kann zu viel, da kann vorschneller Trost eher hinderlich sein, weil der Schmerz ebenso seinen Raum braucht wie der Trost. Und zum Schmerz, aber auch zum echten Leben, gehört das Erfahren, das nicht immer alles wieder gut werden wird. Es ist das Geschenk der Kindheit, so unmittelbaren, so unverwechselbaren Trost zu erfahren wie in den Armen der Mutter.
Und ich denke: vielleicht muss ich mit Blick auf dieses Wunder der Geborgenheit im Arm der Mutter gar nicht neidisch sein. Sondern kann mich einfach darüber freuen, ja Gott loben und danken, dass es dieses Wunder gibt.
Chor: Choralsatz „Du meine Seele singe“
Szene 2: Menschlicher Trost
Person betritt die Bühne und versucht mit aller menschlichen Kraft die 3 Personen zu trösten. Es gelingt ihr aber nur bedingt. Von Person zu Person, tritt am Ende wieder von Bühne ab.
Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.
Unser Trost ist begrenzt. Wir versuchen zu trösten und uns trösten zu lassen. Oft sind wir einander eine große Stütze. Meine Erfahrung ist aber auch, dass Trost nur dann einigermaßen gelingen kann, wenn auch der Schmerz seinen Raum erhält.
Die Mutter, die das Kind umarmt, hält keine Rede darüber, dass das jetzt eine medizinisch ganz harmlose Kratzwunde ist, die das Kind sich da auf dem Spielplatz gerade zugezogen hat und es sich jetzt bitte nicht so anstellen solle. Sondern die Mutter nimmt den Schmerz Ernst, auch wenn sie weiß, dass in den meisten Fällen das Kind in wenigen Minuten wieder toben wird. Sie pustet, sie hebt das Kind in die Luft, sie versorgt vielleicht mit einem kleinen Pflaster mit Winnie the Pooh oder wenn es unbedingt sein muss Benjamin Blümchen drauf. Erst dann, wird es wieder gut. Tut die Mutter das nicht, sagt das Kind gewiss zu Recht: „Du tröstet mich ja gar nicht richtig.“ Und es meint damit: Du nimmst meinen Schmerz nicht ernst.
Das ist vielleicht unsere größte Angst: Vertröstet zu werden. Ich erlebe das oft. Und ich verstehe diese Angst. Wie leicht sagen wir das dahin: „es wird schon wieder“ oder „die Zeit heilt alle Wunden“? Aber manchmal ist das ein Lüge. Sie muss nicht böse gemeint sein. Wir sagen und denken das manchmal, um selber den Schmerz oder auch die Angst nicht aushalten zu müssen. Dabei sind Schmerz wie Angst lebensnotwendige Gefühle. Sie machen uns zu Menschen. Wo wie sie nur unterdrücken, verfehlen wir auch ein Stück unseres Menschseins. Auch Trost kann sich nur das einstellen, wo der Schmerz ausgesprochen, die Angst ernst genommen und die Vergangenheit bearbeitet wird. Nur so kann Trost auch eine Zukunft eröffnen. Das gilt für unsere eigenen Erfahrungen im Leben, das gilt aber auch für Länder und Gesellschaften. Wir erleben das in unserem Land, wie sehr uns alle die Wunden und Verwundungen der Vergangenheit schmerzen, wie sie auch neue Wunde schlagen und dadurch unsere Zukunft immer neu bedroht und gefährdet ist. Vielleicht auch, weil wir manchmal zu vorschnell sind. Wird wirklich alles schon gut? Heilt die Zeit alle Wunden? Und was ist, wenn die Wunden vielleicht verheilt sind? Schmerzen nicht manchmal auch die Narben, die bleiben?
Chor: Kanon zur Jahreslosung
Szene 3: Göttlicher Trost
1 Person (in weiß gekleidet) betritt die Bühne, sieht die 3 Personen und geht einfühlsam auf die jeweiligen Situationen ein:
Kind: nimmt es in den Arm.
Erwachsener: Trägt ihn.
Oma: Hält sie an der Hand.
Person stellt sich im Anschluss auf eine Erhöhung (Stuhl) hinter die 3 Personen.
Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.
Es spricht für die Vielfalt der biblischen Bilder von Gott, dass die Bibel nicht nur von Gott dem Vater sprechen kann, sondern ebenso weibliche Bilder für Gott gebrauchen kann. Bilder wie das der Mutter, die Geborgenheit, Trost und neuen Mut schenkt. In diesem Bild liegt ein Versprechen. Gott sagt: Ich bin da, wenn du mich brauchst. Ich sehe deinen Schmerz und halte dich in meinem Arm. Neben der Nähe, der Geborgenheit, liegt darin aber ebenso die Aussicht darauf, dass es wieder besser werden wird, dass der Schmerz vergeht und das Leben weitergehen wird. Der Trost, der den Schmerz ernst nimmt und die Hoffnung, dass es auch wieder besser werden wird, das liegt in diesem Bild von der als der tröstenden Mutter ganz nah beieinander.
Im Deutschen ist das Wort „Trost“ von seinem Ursprung her verwandt mit dem Wort „treu“. Gott ist treu, wie eine Mutter, die ihrem Kind tröstend zuraunt: „Ich bin ja hier!“ In seiner Tiefe drückt dieses Bild etwas aus über Gottes bleibende Zuwendung zu uns Menschen.
Zum Trost gehört neben der Zuwendung und Nähe auch das Versprechen, dass das Leid sich wenden wird. Die Mutter, die ihr weinendes Kind im Arm hält, kann dieses Versprechen geben, denn sie kann weitersehen als auf das aufgeschlagene Knie. Sie weiß, dass es heilen wird, und kann darum sagen: „Gleich wird es besser!“
Wenn wir Gottes Verheißung hören, dann bestärkt uns das in dem Vertrauen, dass unser Leben mit ihm gut sein kann, bei ihm gut werden wird. Denn auch Gott kann weitersehen. Jesus Christus hat nicht nur mit uns gelebt und hat in seinem Tod am Kreuz alle menschlichen Ängste und Tiefen durchlitten.
Wenn ich mir etwas wünschen darf, dann dieses: dass unsere Gemeinden, aber auch eine Institution wie die Schule Trostgemeinschaften sind. Denn sie sind Lebensgemeinschaften. Gemeinschaften, in denen jeder seinen Ort und seinen Wert hat. In denen wir Erfolg gemeinsam feiern, aber auch miteinander Schmerz teilen können. In denen wir uns der Gaben versichern, die uns Gott gibt. Aber diese Gaben auch als eine Verantwortung, als eine Aufgabe begreifen, mit denen wir anderen, unserem Land und unserem Gott dienen sollen. In diesem Miteinander können wir dann auch das Ja Gottes, seinen Trost erfahren, den der Lieddichter Jochen Klepper in der trostlosen Zeit des Nationalsozialismus, der ihn und seine Familie in den Tod treiben sollte, so beschreiben konnte:
„Ja, ich will euch tragen bis zum Alter hin. Und ihr sollt einst sagen, dass ich gnädig bin.“
Amen.
Im Anschluss an die Predigt treten alle Akteure von der Bühne ab.