(Predigt Römer 14,10-13)
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Herr, schenke Reden, Hören und Verstehen durch deinen Heiligen Geist .Amen.
Zuerst eine kleine Begebenheit die ich gelesen habe.
Mittagspause in der Abteilung. Kollegen bereiten ihre Mahlzeiten vor: der eine packt die Tupperdose mit der saftigen Rindsroulade aus, die vom Wochenende noch übrig geblieben ist. Die andere hat sich schnell einen Hamburger/Döner vom Stand neben der Praxis geholt. Eine Dritte bereitet sich einen Salat mit Körnern zu, fast food ist für sie schon lange ein no go. Ein vierter erwärmt sich das vegane Gemüsecurry. Er hat einen Schlussstrich gezogen unter jeglichem Verzehr tierischer Produkte. Nicht nur auf den Genuss von Fleisch verzichtet er. Auch auf alles, was sonst vom Tier kommt, Milch und Eier, Käse und Butter, hat er von seinem Ernährungsplan gestrichen.
Beim Duft der erwärmten Roulade steigt in ihm ein übles Gefühl aus der Magengegend auf. Er denkt, wie kann man nur so etwas noch essen. Aus der anderen Richtung kommt ihm ein ebenso argwöhnischer Blick entgegen. Obst, Gemüse, Körner … Du meine Güte. Weiß er nicht, wie einseitig und für den Körper unzureichend eine solche Ernährung ist? Bei der Vorstellung von Tofu, veganen Würstchen u. ä. kräuseln sich beim ihm die Geschmacksnerven. So urteilt einer über den anderen, macht sich einer ein Bild über den anderen, über dessen seltsamen Ideen, und Gebräuchen.
Wir haben alle unsere Wertesysteme. Unsere inneren Werte, die unsere Einstellungen und Überzeugungen, ein Leben lang geprägt haben. Wir urteilen über Verhaltensweisen anderer, über das, was man aus unserer Sicht tut und was man nicht tut.
Wir dürfen heute dankbar sein, dass wir im Apostel Paulus einen Mann haben, der in der Frühzeit der Ausbreitung des christlichen Glaubens eine unheimliche Geduld gehabt haben muss. Denn in seinen Briefen muss er immer wieder Konflikte schlichten. Und dabei geht es nicht nur ums Beschwichtigen sondern darum, die Einheit der Menschen unterschiedlicher Meinung zu bewahren.
Nun zu unserem Predigttext von heute.
Gehört haben wir ihn schon in der Epistellesung aus der Lutherübersetzung.
Aus der Hoffnung für alle lese ich den Abschnitt aus dem Brief, den Paulus an die Römer schreibt. (Röm. 14, 10-13)
So fragt er sie und so fragt er uns:
Mit welchem Recht verurteilst du also einen anderen? Und warum verachtest du deinen Bruder, nur weil er sich anders verhält?
Wir werden alle einmal vor Gott stehen, und er wird über uns urteilen.
So steht es in der Heiligen Schrift: "So wahr ich lebe, spricht der Herr: Vor mir werden alle niederknien, und alle werden bekennen, dass ich der Herr bin!"
So wird also jeder für sich selbst vor Gott Rechenschaft ablegen müssen.
Deshalb wollen wir uns nicht länger gegenseitig verurteilen. Keiner soll durch sein Verhalten den anderen in Bedrängnis bringen oder in seinem Glauben verunsichern.
Auch in unserer Evangeliumslesung hörten wir schon die Worte: „Richtet nicht über andere“ und „Verurteilt keinen Menschen“.
Warum betont Paulus in unserem heutigen Text: »Richtet nicht« Verurteilt nicht?
Die Erklärung dazu finden wir in den Bibelversen, die diese Aussage umrahmen. Paulus bezieht hier Stellung zu einem Konflikt, der in der römischen Gemeinde aufgetaucht ist. In der römischen Gemeinde treffen zwei Gruppierungen aufeinander: die so genannten »Starken« und »Schwachen im Glauben«. Beide Gruppen haben verschiedene religiöse und kulturelle Wurzeln, wodurch es zu unterschiedlichen religiösen Praktiken kommt. Für die »Schwachen im Glauben«, zu denen die Judenchristen gehören, kommt das Essen von Götzenopferfleisch, und sogar Weingenuss nicht in Frage. Sie fühlen sich an bestimmte zeremonielle Vorschriften des Alten Testaments gebunden. Für die »Starken im Glauben«, zu denen die Heidenchristen gehören und zu denen auch Paulus sich zählt, gibt es diese Speiseregeln nicht. Ihnen sind die Gewissensbisse der »Schwachen« fremd.
Paulus möchte, dass die römische Gemeinde ihre Kraft nicht durch eine unnötige Diskussion um Essen und Trinken vergeudet. Keiner soll den anderen wegen seiner Mahlpraxis verurteilen. Vielmehr sollen die beiden Gruppierungen ihre Kraft bündeln und gemeinsam nach dem streben, was dem Frieden und der Erbauung untereinander dient. Pfarrerin Ulrike Spengler schreibt in einer Predigt das das Muster wiederkehrend ist: „Die einen, die in den Augen der anderen zu wenig Regeln beachten und die anderen, die es mit der Freiheit übertreiben.“
„Wie können wir solch ein Muster durchbrechen?“
ERSTENS Wir sollen Nicht verurteilen Sie empfiehlt einen Perspektivwechsel: „Weg vom urteilenden Blick auf den andern, hin auf das eigene Leben für das wir einst Rechenschaft ablegen. Einst werden wir danach gefragt werden, wie wir unser eigenes Leben gestaltet haben, wie wir mit uns selbst und anderen umgegangen sind - vor dem Richterstuhl Gottes.
Deshalb wollen wir uns nicht länger gegenseitig verurteilen. Keiner soll durch sein Verhalten den anderen in Bedrängnis bringen oder in seinem Glauben verunsichern.
ZWEITENS Wir sollen Einander annehmen „Darum richtet nun nicht mehr, sondern richtet aus … ein schönes Wortspiel und wiederum ein Perspektivwechsel nun wieder zum anderen hin. Gestalte dein Leben so, dass du keinen Anstoß erregst. Überlege mit dem, was du sagst oder tust, ob du einen anderen Menschen damit verletzt, kränkst, klein machst, über ihn urteilst, oder ihn gar verurteilst.
Nicht zu richten oder zu urteilen würden also heißen, immer öfter darauf zu verzichten, ein endgültiges Urteil zu fällen. Das würde bedeuten, dass wir unser eigenes Wertesystem nicht zum Maß aller Dingen machen. Es würde bedeuten, dass wir die Welt nicht nur in richtig oder falsch, gut oder böse im Sinne unseres eigenen Wertesystems einordnen. Sondern einander annehmen.
Letzten Sonntag sagte Pastor Nottmeier in seiner Predigt das unsere Vergangenheit uns begleitet und das wir sie nicht einfach nur so abschütteln können. Wir hörten die Geschichte von Paulus: Seine Begegnung mit dem lebendigem Gott machte ihn frei.
Er, Saulus, der Verfolger, begegnet Jesus und wird der Verkündiger, Paulus und ein Vorbild für andere. Er konnte dann auch sagen: „Ich danke meinem Herrn Jesus Christus immer wieder, dass er gerade mich Paulus für vertrauenswürdig erachtet hat, ihm zu dienen, und dass er mir dafür auch die Kraft schenkte. (Alleine geht es nicht.) Gott hat sich über mich erbarmt und mir alles vergeben.“ So lautete der Predigttext letzte Woche.
Das gilt auch für die Vergangenheit unseres eigenen Lebens ebenso wie für das gesellschaftliche Umfeld, in dem wir Leben. Es werden immer Meinungsverschiedenheiten geben.
Dieser Predigttext wird in der Lutherbibel überschrieben als „Ein Lobpreis der göttlichen Gnade – der göttlichen Barmherzigkeit“.
Wir haben es in der Evangeliumslesung auch gehört wie es im 6. Kapitel steht: "Seid so barmherzig wie euer Vater im Himmel!
Richtet nicht über andere, dann wird Gott auch nicht über euch richten! Verurteilt keinen Menschen, dann wird Gott euch auch nicht verurteilen! Wenn ihr bereit seid, anderen zu vergeben, dann wird Gott auch euch vergeben.“
"Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen." Man kann über diesen Vers nicht reden, ohne über Jesus von Nazareth zu reden. Das gilt in einem doppelten Sinn: Lasten mittragen, Lasten abnehmen: genauso hat Jesus gelebt im Umgang mit denen, denen die anderen aus
dem Weg gegangen sind. Krankheiten und Leiden hat er sich angehört, angeschaut und zu Herzen genommen.
Und: Wer heute anderen Lasten abnehmen will, braucht Kraft, braucht Zeit, braucht Geduld. Die ist nicht unbedingt von alleine da. Die muss man sich schenken lassen. Gläubige Menschen sind nicht von Haus aus bessere Menschen, aber sie sind die besseren Lastenträger, weil sie wissen, wo sie sich ihrerseits mit ihrer Last hinwenden können. Lasten kann nur tragen, wer selber auch wieder Lasten abladen kann.
Wenn Jesus in das Leben eines Menschen tritt, ist dieses Leben ein anderes als zuvor. Ein Leben ohne Verurteilung, ein Leben wo der Mensch den anderen annimmt und wo Verantwortung füreinander genommen wird. Wo wir einander die Lasten tragen.
Amen
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne In Jesus Christus. Amen.