Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.
Epheser 5, 8b-14, nach der Übersetzung Martin Luthers:
Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.
Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist, und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf. Denn was von ihnen heimlich getan wird, davon auch nur zu reden ist schändlich. Das alles aber wird offenbar, wenn's vom Licht aufgedeckt wird; denn alles, was offenbar wird, das ist Licht. Darum heißt es: Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten
Liebe Gemeinde,
ich erzähle die Geschichte eines fiktiven Menschen: Dieser versucht, sein Christsein radikal ernst zu nehmen. Er bemüht sich im Zusammensein mit anderen Menschen, gemäß dem biblischen Auftrag ganz und gar „Kind des Lichtes“ zu sein. Stets macht er in seinem Alltagsumgang deutlich, er sei konsequent ein Christ. Dabei merkt er allerdings nicht, dass er mit seinem aufdringlichen Tun so hell „brennt“, dass er die Menschen in seiner Umgebung blendet. Sie weichen aus seiner Nähe erschreckt und belästigt zurück. Bei seinem mühevollen Aufgebot aller guten Kräfte zu beweisen, ein perfektes christliches „Kind des Lichtes“ zu sein und zu leben, spürt er zwar seine Erfolglosigkeit in der Wirkung auf andere Menschen, aber er entwickelt sich selbst zu einem rücksichtlosen, hartherzigen und egozentrischen Licht-Fanatiker. Erfahrungsgemäß ist der Schritt von der guten Absicht zur abstoßenden Radikalität gering.
In diesem Menschen hatte die Idee von einem „Kind des Lichtes“ Raum ergriffen, die er unter allen Umständen zu praktizieren, umzusetzen und mit allen Mitteln seiner Umgebung aufzuzwingen suchte. Im Endergebnis seiner eigenwilligen Lebenseinstellung war er ein einsamer Mensch oder anders ausgedrückt: er geriet in den Zustand einer inneren Vereinsamung. Denn wer wollte schon gern von ihm fanatisch geblendet sein?
Dieser Mensch hört eines Sonntags eine Predigt, die ihn erschreckt, ihm die Augen öffnet und ihn zu einer Veränderung seiner Lebenssicht herausfordert. Er hört die Worte, die ihn direkt treffen: „wir können im Alltag zuweilen so radikal christlich sein, dass wir dabei radikal unchristlich werden!“. Und siehe da! Er bekommt plötzlich seine Umgebung ins Blickfeld und entwickelt sich mehr und mehr zu einem anderen „Kind des Lichtes“, so dass sich Menschen in dem Schein seiner lichtvollen Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit wohl fühlen und Freude und Zufriedenheit empfinden. Er selbst erlebt eine Befreiung aus seiner eigenen Engstirnigkeit und Verbohrtheit und versteht allmählich, dass Gottes Licht nicht in einer fanatisch zu praktizierenden Idee lebt und umgesetzt werden kann, sondern in der liebevollen Hinwendung zum Mitmenschen in der Welt. Er versteht neu die Bedeutung des Gebotes der Nächstenliebe.
Der lebendige Orientierungspunkt dabei ist und bleibt das Licht Jesu Christi und nicht sein eigenes Licht.
Als „Kinder des Lichtes“ sind wir alle Wegweiser für uns und für andere in der Dunkelheit der vielen schrecklichen Ereignisse in der Nähe und Ferne, die wir durch die digitalen Medien in unserer Welt heute hautnah miterleben und die uns nicht einfach kalt lassen. Als christliche Wegweiser mit dem Licht Christi helfen wir, nicht nur entsetzt auf die Kriege und Terroranschläge, auf die Naturkatastrophen und Umweltschäden, auf die Flüchtlinge und die hungernden Menschen zu starren, sondern den Lebensweg der Hoffnung dagegen zu praktizieren, indem wir in unserem eigenen Umfeld anfangen und vor Gefahren warnen, um die Würde des anderen Menschen zu bewahren. Mit dieser hoffnungsvollen, positiven Lebensweise als „Kinder des Lichtes“ fallen wir in der Finsternis der Welt auf.
Frage: Was ist für das Kindsein prägend? Antwort: das Vertrauen. Kinder leben wesentlich von dem Vertrauen, dass Erwachsene es gut mit ihnen meinen, dass Erwachsene sie vor Gefahren schützen und dass sie im Zusammenleben mit anderen Menschen nicht enttäuscht werden. „Kinder des Lichtes“ geben diese Prägung wie einen hellen Lichtstrahl weiter. Bei ihnen ist nichts verborgen; da ist alles Reden und Tun transparent. Der Mensch des Lichtes lebt offen, tolerant und liebevoll; er zeigt aus Vertrauen zu Gott und aus christlicher Wahrheit heraus auch die Grenzen des Lichtes an – im beruflichen wie im familiären Umfeld, z.B. wenn christlicher Glaube fanatisch wird oder wenn das Gebot der Nächstenliebe zur Ideologie wird oder die eigene Position gleichsam zum Messias überhöht wird.
So herausgehoben wird im Epheserbrief von dem Lichtsein der Christen geschrieben, dass schließlich alles in der Mahnung an uns heute hier Lebende mündet:
„Wach auf, du Schläfer, und steh auf von den Toten!“
Dieser mahnenden Aufforderung folgt zwar zugleich die tröstende Ermutigung:
„Dann wird Christus sein Licht über dir leuchten lassen.“ (Vers 14 )
Aber zunächst sollte uns die Mahnung zur Wachsamkeit hellhörig machen. Denn es gibt auch im Zusammenleben von uns Christen den dunklen Hintergrund, dass die Finsternis mehr geliebt wird als das Licht. Oftmals decken wir über viele Geschehnisse den Schatten des Schweigens. Im Dunkeln fällt nichts auf! In der Finsternis der Weltgeschehnisse und ebenso in der Finsternis in meinem eigenen Innern leben Gedanken der Gleichgültigkeit und der Rechthaberei, Gedanken der Abkehr von Gottes Geboten und der Leugnung des christlichen Glaubens. So sind wir selbst auch manches Mal „Kinder der Finsternis“ und meiden das Licht, das so vieles unangenehm aufdeckt. Die Merkmale unseres Verhaltens sind dann Hartherzigkeit, Strenge, Ungerechtigkeit und Lüge.
„Kinder des Lichtes“ sind dagegen im Umgang miteinander gütig, gerecht und wahrhaftig. Da gibt es im Zusammenleben nichts zu verbergen. Dies betrifft unser Verhalten am Arbeitsplatz ebenso wie das in unserer Familie und im Freundeskreis; und zwar nicht im Sinne einer momentanen, statischen Aussage über unser christliches Glaubensleben, sondern vielmehr im Sinne eines lebenslangen Prozesses des Wachsens. So eine Lebensweise mit einer lichtvollen Transparenz ist mit einem dauernden Lernen und Ausprobieren verbunden; dazu gehören auch ein Leben mit Gefühlen und der Erfahrung des Scheiterns und die Chance zum Neuanfang für ein Leben mit Erfolgserlebnissen. Als Kinder des Lichtes treten wir Christen nicht starr auf der Stelle, sondern leben in einer Bewegung, in einem Wachsen des Glaubens. Es gilt die Zusage: Christus lässt sein Licht leuchten über uns.
Beziehen wir somit nun das Bildwort der „Kinder des Lichtes“ direkt auf uns, dann müssen wir uns zugleich der kritischen Frage stellen: Sind wir Christen mit unserem Licht nicht häufig mehr in der Funktion des traditionellen Rück-Lichtes? Wir verteidigen uns, indem wir meist nur zurückschauen, was diese oder jene Person vor vielen Jahren und Jahrhunderten gesagt hat. Wo sind z. B. im Dialog mit anderen Religionen die christlichen Scheinwerfer, die mit klaren Äußerungen und Abgrenzungen die Verleumdungen und Unterstellungen in der Dunkelheit der pluralistischen Meinungsbildung beleuchten? Das Reformationsjahr mit der 500jährigen Erinnerung an den Thesenanschlag Martin Luthers an der Schlosskirche zu Wittenberg wird so ein Prüfjahr sein, ob wir nur auf die positiven und negativen Äußerungen Luthers zurückblicken oder ob wir wie mit einem Scheinwerfer heute die Stärke und Gemeinsamkeit des christlichen Glaubens in der globalen Welt gegenüber anderen Religionen beleuchten. Manchmal müssen wir den Kampf mit der Dunkelheit aufnehmen und einen Weg nach vorne bahnen.
Wir müssen als Kinder des Lichtes keine Angst haben vor der Auseinandersetzung mit Andersdenkenden oder anders glaubenden Mitmenschen. Wenn in der Angst vor dem Islam oder in der Auseinandersetzung mit dem Islam politisch denkende Menschen den Untergang des christlichen Europas und damit die Finsternis heraufbeschwören,dann säen sie chaotische Gefühle und zerstören das Zusammenleben unterschiedlich glaubender Menschen. „Kinder des Lichtes“ haben das Vertrauen – oder noch besser: die Gewissheit, dass nach der Dunkelheit der Nacht wirklich wieder neu das Licht des Tages anbricht. Denn Jesus Christus hat als das Licht der Welt über die Finsternis gesiegt. Er hat gelebt und ausgestrahlt, wie wir Menschen einander gütig und gerecht und wahrhaftig begegnen können.
Bei allen guten, wichtigen und bedeutsamen Ideen und Vorstellungen, die wir gemeinsam mit und für andere Menschen umsetzen wollen, ist unsere Messlatte die Liebe zum Nächsten. Daran messen wir alle Entscheidungen, Visionen und Beschlüsse, die Realität werden sollen. Denn Jesus Christus hat in der Liebe zu Gott bis in den Tod hinein über die Finsternis gesiegt. Deshalb ist er das Licht der Welt!
So machen wir als seine Kinder des Lichtes mit seinem Licht einerseits die Schattenseiten unseres eigenen Lebens erkennbar und andererseits unseren Lebensweg als Kinder des Lichtes deutlich sichtbar - im Scheinwerferlicht, keinesfalls im Rücklicht! Wir gehen den christlichen Weg nach vorne und erhellen die Umgebung mit dem Licht, das wir schon von Jesus Christus bei unserer Taufe empfangen haben.
Wir haben so viel Strahlkraft in uns, dass wir die Finsternis um uns herum erhellen können. Wir haben nicht die Fähigkeit, sie zu beseitigen, denn es wird immer Menschen mit finsteren Gedanken, Ideen und Vorstellungen geben, die auch umgesetzt werden. Aber wir können aufdecken, was der Finsternis entstammt, wir schärfen mit dem Licht die Grenze zur Finsternis. Sicher ist dies nicht immer einfach. Als Kinder des Lichtes wird uns einiges zugemutet. So trifft uns heute die Mahnung deutlich:
„Wach auf, du Schläfer! Steh auf von den Toten!“ Das heißt: Lebe anders als die, die schweigen, die nichts sehen, nichts hören! Halte das Licht Christi nicht fest, so dass es nur für dich leuchtet, sondern gib es weiter! Du kannst dies getrost tun; denn Gott gibt Ihnen und mir Segen und Kraft dazu: „Christus wird sein Licht leuchten lassen über dir.“
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.