Weitere Übersetzungen dieser Predigt:
- 2017-04-16 - Paassondag - Dominee Dr Christian Nottmeier
- 2017-04-16 - Easter Sunday - Pastor Dr. Christian Nottmeier
(Predigttext: Mt 28,1-10)
1 Als aber der Sabbat vorüber war und der erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria Magdalena und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen.
2 Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein weg und setzte sich darauf.
3 Seine Erscheinung war wie der Blitz und sein Gewand weiß wie der Schnee.
4 Die Wachen aber erbebten aus Furcht vor ihm und wurden, als wären sie tot.
5 Aber der Engel sprach zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht.
6 Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt und seht die Stätte, wo er gelegen hat;
7 und geht eilends hin und sagt seinen Jüngern: Er ist auferstanden von den Toten. Und siehe, er geht vor euch hin nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt. 8 Und sie gingen eilends weg vom Grab mit Furcht und großer Freude und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen.
9 Und siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach: Seid gegrüßt! Und sie traten zu ihm und umfassten seine Füße und fielen vor ihm nieder.
10 Da sprach Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, dass sie nach Galiläa gehen: Dort werden sie mich sehen.
Liebe Gemeinde!
„Der schöne Ostertag! Ihr Menschen, kommt ins Helle!
Christ, der begraben lag, brach heute aus seiner Zelle.
Wäre vorm Gefängnis noch der schwere Stein vorhanden,
so glaubten wir umsonst.
Doch nun ist er erstanden,
erstanden, erstanden, erstanden!“
Ja, wäre das schön, so möchte man fast entzückt ausrufen als Reaktion, ja Jubelruf auf dieses österliche Freudenlied, das wir eben vom Chor gesungen gehört haben. The joyful eastertide – so heißt die englische Vorlage, die wiederum ein holländisches Lied aus dem 17. Jahrhundert zum Vorbild hat, dessen Titel man sinngemäß mit „Wie groß die Freude ist“.
Ja, da möchte man mit einstimmen: mehr als nur ein schöner Tag, großartig, voll Freude und echtem Glück. Fast glaube ich, etwas von der Freude, dem Licht, der Helligkeit zu spüren, die da besungen wird. Ja, wäre das schön. Wenn das Helle das Dunkle vertreibt, wenn die Steine nicht auf dem Wege, sondern auch Grab selbst, die, die man nicht umgehen, nicht selbst wegrollen kann zur Seite geschoben werden. Fast trotzig verkündet unser Lied diese Botschaft. Vier Mal am Ende wird das „erstanden“ gesungen, damit es auch jeder merkt und begreift, was da passiert ist. Aber vermutlich wird damit nicht nur gegen die angesungen, die es nicht begreifen können oder wollen, sondern wohl doch auch gegen den kleinen oder großen Zweifel, der uns selbst immer wieder einmal überkommt. Der Zweifel, der sich mit der Frage verbindet, ob es denn auch wahr ist, was da besungen, behauptet, gepredigt, bezeugt wird.
Denn es gibt sie trotz allem Singen und Beten und Glauben, diese Erfahrungen, die dem Osterglauben ganz zu widersprechen scheinen. Auch davon wird in dem Lied gesungen. Im Lied sind es Schuld, Krankheit, Flut und Beben:
„Was euch auch niederwirft, Schuld, Krankheit, Flut und Beben-, er, den ihr lieben dürft, trug euer Kreuz ins Leben.“
Soviel Tod, soviel Schuld, soviel zerbrochene Beziehungen ums uns herum. Und es sind nicht nur die Kräfte der Natur, sondern wir selbst, wir Menschen, die uns gegenseitig das Leben so unendlich schwermachen. Wir sehen das auch in unserem Land mit all den Spannungen, all den Konflikten und den Versuchen, Menschen immer wieder neu mit den alten, eigentlich längst überwunden geglaubten Mustern von Vorurteilen und Rassismus.
Ja, es gehört Mut dazu in dieser Welt und in diesem Land Ostern zu feiern. Sieg des Lebens über den Tod, der Hoffnung über die Resignation und Frustration. Da gibt es doch so machen Zelle, in die wir uns selbst und andere einschließen, hineinsortieren. Da ist mancher Stein, der noch weggerollt werde müsste, damit wirklich Licht zu uns kommt.
Denn das gehört auch zu unseren Erfahrungen, dass dieses Auf und Ab der Gefühle uns zu schaffen macht. Wir richten uns ein mit den Gefahren, den Anfechtungen, den Zweifeln, die uns jeden Tag begegnen. Wir finden uns ab mit der Armut und Ungerechtigkeit um uns herum. Fast könnte man meinen, den Regierenden ist sie eigentlich ganz recht, der wer ums tägliche Überleben kämpfen muss, wem gute Erziehung systematisch verweigert wird, der wird schon nicht daran denken, dass die Dinge sich einmal ändern könnten.
Auch das ist einer der Gründe, warum wir immer wieder Menschen, Familien, oft mit kleinen Kindern verabschieden müssen, nach Deutschland, in die USA oder noch Australien. Die Zukunft, sie scheint nicht hier zu legen. Mich macht das traurig und betrübt, es ist jedes Mal ein kleiner Stich im Herz...
Freilich, wer genau hinausschaut, der sieht auch in den Ostergeschichten den Schmerz dieser Welt. Er sieht die Enttäuschung der Frauen, die am Morgen zum Grab kommen, er sieht ihr Entsetzen, ihre Furcht und ihre Angst. Fast scheint es, dass sie so darin gefangen sind, dass sie die frohe Botschaft, die doch schon einmal, nämlich Weihnachten, erklungen ist, nicht hören können. So sehr zieht sie ihr Schmerz, zieht sie das Elend und die Sorgen um sich und die Welt herunter.
So erzählt es auch Matthäus in seiner Ostergeschichte. Er erzählt aber auch, wie – zunächst kaum merklich und wahrgenommen - eine andere Wirklichkeit, Gottes Wirklichkeit, in die vom Tod gezeichnete Welt hereingebrochen ist. Da sind die Frauen, die zum Grab kommen, als der Morgen anbricht. Da sind die Wächter, die man gedungen hatte, um das Grab zu bewachen. Denn der Tote soll auch wirklich tot bleiben.
Und da bricht in diese so reale, vorstellbare Welt, die durchaus auch unsere Welt ist, eine andere Wirklichkeit herein. Der Einbruch des Himmels. Fürchtet euch nicht. Er ist nicht hier. Er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Der Morgen bricht an. Die Grabeswächter erkennen nichts. Nur den Frauen, den todtraurigen, verlassenen Frauen dämmert es in der Morgendämmerung. Sie fangen an, den Morgenglanz der Ewigkeit wahrzunehmen. Aber es braucht Zeit, bis die Furcht überwunden ist, bis das Staunen sich einstellt. Bis sie eine neue Perspektive auf sich und die Welt bekommen. Ganz allmählich müssen sie begreifen, was da geschehen ist.
Und dann, dann kommt noch einmal Bewegung in die Ostergeschichte, die Matthäus von Anfang an viel dramatischer als die anderen Evangelisten erzählt. Ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten, hören sie den Engel sagen. Er ist nicht hier. Er ist auferstanden, und er wird vor euch hergehen nach Galiläa. Dort werdet ihr ihn sehen.
Geht – und sagt´s den Jüngern. Und sie gingen, mit Furcht und großer Freude. Dorthin, nach Galiläa. Wo er ihnen zu seinen Lebzeiten schon die Augen geöffnet hatte für Gottes Reich und sein Kommen. In all dem, was er ihnen damals gesagt hatte, lag doch schon ein Vorschein vom Anbruch des Himmelreichs in dieser Welt, vom Anbruch der Ewigkeit in dieser Zeit. Damals schon, als er predigte und lehrte, Wunder tat und den Menschen die Liebe Gottes vorlebte, hat die Bewegung für das Leben und gegen den Tod eingesetzt. All das, was so verloren schien in den deprimierenden Erfahrungen der Gegenwart, das ist jetzt wieder gegenwärtig. Die Hoffnung, die Jesus ihnen gab. Der Enthusiasmus, der sie erfüllt hat. Der Blick, der nach vorne gewandt war. Auch das war damals kein billiger Trost gewesen. Sie alle hatten ihre Vergangenheit, ihre Verletzungen, aber Jesus hat sie in ein anderes, ein hoffnungsfrohes Licht gesetzt. Und ihnen so den Blick in eine Zukunft eröffnet, in der nicht Hass und Gewalt die Oberhand behalten würde. In der die Menschen in ihrer Verschiedenheit vereint sein würden, vielfältig, gesegnet, farbenfroh, wie ein Regenbogen, der Himmel und Erde verbindet.
All das ist plötzlich wieder präsent bei den Frauen am Grab. Kommt wieder zum Vorschein. Ja, so kommt es ihnen bald vor, dass das, was Jesus zu seinen Lebzeiten in den Herzen bewegt und an Hoffnung geweckt hat, am Ostermorgen weitergeht, ja eigentlich erst richtig losgeht. Schon damals, in Galiläa, war es doch der Kern seiner Predigt, dass die Wirklichkeit in all dem, was vor Augen liegt und den Tod scheinbar so endgültig macht, nicht aufgeht. Da ist noch eine andere Wirklichkeit, Gottes Wirklichkeit, die Jesus ans Licht gebracht hat, und dieses Licht der Ewigkeit, es leuchtet weiter, über sein Grab, über seinen Tod hinaus. Und dass diese andere Wirklichkeit nicht nur eine Vertröstung ist, sondern dass sie auch unsere Wirklichkeit verändert.
Natürlich, dass schließt auch das Kreuz ein. Dem konnte auch Jesus nicht ausweichen Doch er hat diese Todeswirklichkeit in ihre Schranken gewiesen. Von Anfang an. Und jetzt ganz besonders. So müssen es die Frauen gehört und verstanden haben, als sie mit Furcht und großer Freude zurück gegangen sind nach Galiläa, um den Weg Jesu, den Weg der Liebe und des Friedens, weiterzugehen. Jetzt waren sie auf wunderbare Weise gewiss geworden: Jesus lebt, mit ihm auch ich.
Doch wie ist es heute mit uns, an diesem Ostermorgen des Jahres 2017, der nun ganz besonders geprägt ist von den großen Fragen, wie es weiter geht mit uns in unserem Land. Können wir sie auch hören, diese unglaubliche Botschaft, von Jesus zu Lebzeiten verkündigt und nach seinem Tod genau so lebendig und wahr: Dass da eben noch eine andere Wirklichkeit ist, die auch in unser vom Tod bedrohtes Leben hereinbricht, die Grenzen unseres Lebens aufbricht und sie schon heute, allen Schreckenswahrheiten zum Trotz, mit neuem Sinn erfüllt? Eine Botschaft des Lebens, die uns gestärkt in die Herausforderungen unserer Welt und unseres Landes hinausgehen lässt. Die uns, so klein und bescheiden es auch sein mag, in Bewegung setzt. Weil Jesus zu uns wie zu den Frauen an diesem Morgen sagt: Geh, geh hinaus in diese Welt. Sei Botschafter meiner Liebe, sei Botschafter der Versöhnung. Lebe diesen Traum, dass Vielfalt, dass Zukunft, dass Hoffnung möglich ist, auch hier in unserem Land. So wie es ja auch immer wieder jene Hoffnungszeichen gibt. Menschen aus allen Bevölkerungsgruppen, die kreativ, die friedlich, ernst und entschieden auf die Straße gehen, weil sie eine gemeinsame Zukunft für alle wollen.
Ja, die tödlichen Gefahren bleiben. Das Leid der Menschen in der Nähe und in der Ferne trifft uns bis ins Herz. Und immer wieder wird es diesen Stich im Herzen geben, wenn Menschen woanders ihre Zukunft suchen. Und doch ist da die unergründliche und kaum zu begreifende Hoffnung und Lebenszuversicht, die sich immer wieder durchsetzt. Nämlich: dass es gut wird mit uns und unserer Welt, dass Gott es gut mit uns meint. Dieser Mut zum Sein, auch wenn die Lage noch so ausweglos erscheint. Das ist die Wahrheit, die seit jenem Ostermorgen unverbrüchlich gilt. Das dürfen wir glauben. Voller Furcht, voller Zittern, und mit großer Freude. Deshalb:
„Auf, auf, mein Herz mit Freuden, nimm wahr was heut geschicht; wie kommt nach großen Leiden nun ein so großes Licht!“
Amen.