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(Genesis 50: 15-21)
Die Brüder Josefs aber fürchteten sich, als ihr Vater gestorben war, und sprachen: Josef könnte uns gram sein und uns alle Bosheit vergelten, die wir an ihm getan haben.
Darum ließen sie ihm sagen: Dein Vater befahl vor seinem Tode und sprach: So sollt ihr zu Josefsagen: Vergib doch deinen Brüdern die Missetat und ihre Sünde, dass sie so übel an dir getan haben. Nun vergib doch diese Missetat uns, den Dienern des Gottes deines Vaters!
Aber Josef weinte, als sie solches zu ihm sagten.
Und seine Brüder gingen hin und fielen vor ihm nieder und sprachen: Siehe, wir sind deine Knechte.
Josef aber sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes statt? Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten ein großes Volk. So fürchtet euch nun nicht; ich will euch und eure Kinder versorgen.
Und er tröstete sie und redete freundlich mit ihnen.
Liebe Gemeinde,
Wenn ich mit jungen Eltern ein Taufgespräch habe,stelle ich gerne die Frage:
Was braucht euer Kind, damit es zufrieden ist?
Die ersten beiden Antworten lauten meistens: Liebe, und Essen.
Was noch? Ein Bett, Kleidung.
Ich bin immer noch nicht zufrieden. Aha- Gott, natürlich. Gebet. Glauben. So langsamschauen sie mich fragend an, denn ich warte offensichtlich immer noch auf eine bestimmte Antwort. Meistens kommt sie nicht. Ich erkläre den
Eltern: Wenn euer Baby dieses nicht hat, ist es unglücklich und bleibt es unglücklich. Schließlich rücke ich selber mit der Antwort heraus: Saubere Windeln.
Natürlich! Daran hatten sie nicht gedacht, weil es so selbstverständlich ist. Bestimmt haben alle Eltern erlebt, dass sie schon ganz ratlos waren, weil das Baby nicht aufhört zu weinen - bis sie merken: Die Windel, obwohl eben erst gewechselt, ist dreckig!Kaumist dieWindel(dann wieder!) gewechselt, lacht das Baby und schläft bald danach ein.
Dieses ist für mich ein wunderbares Bild für Vergebung. Mir ist vergeben - das heißt: Die Windel wurde gewechselt. Ich darf mich wieder wohl fühlen. Ich darf leben!
Was machen die Eltern mit den dreckigen Windeln? Ich schlage ihnen eine “Dreckige Windel Kammer” vor. Dort können die Windeln aufbewahrt werden, und später, wenn das Kind im Teenagerstadium unmöglich ist, kann man es erinnern an die Windeln, die gewechselt wurden. Die Eltern sind von meinem Vorschlag nicht beeindruckt - sie finden ihn scheußlich. Man stelle sich vor, es gibt im Haus eine “Dreckige Windel Kammer” Die Tür ist dicht verschlossen. Wenn die nächste Windel hineinkommt, wird sie kurz geöffnet und sofort dringt der Gestank der Dreckige Windeln Kammer durchs Haus. Ich kenne keine Eltern, die das so machen. Aber ich kenne viele, viele Menschen die so mit der Vergebung umgehen. Ich vergebe dir - und wenn du wieder etwas falsch tust, vergebe ich dir wieder, aber nicht ohne dass der Gestank des vorigen Vergehens kurz durchs Haus zieht.
Die Brüder Josefs waren solche Leute. Als junge Männer hatten sie sich schwer an Josef versündigt - sie hatten ihn als Sklaven verkauft, und ihrem Vater erzählt, ersei von wilden Tieren zerrissen worden.Jahrzehnte lang sind sie mit diesen dreckigen Windeln durchs Leben gelaufen, hatten sich eigentlich schon daran gewöhnt, bissie dann Josef gegenüberstanden - er war inzwischen zweitmächtigster Mann in Ägypten, sie dagegen hungernde Fremdlinge. Zu Tode erschrocken rechneten sie mit dem schlimmsten, alssie merkten, vor wem sie standen. Doch Josef vergab ihnen. Warum? Josef hatte erkannt, dass Gott auch durch die schlimmsten Vergehen der Menschen Gutes werden lassen kann. Darumkonnte er die Schuld derBrüder vergeben.
Doch dieBrüder konnten nicht glauben, dass dieWindeln nun wegwaren. Als Jahrzehnte später der Vater starb, gingen sie davon aus, dass Josef sich jetzt rächen würde. Jetzt würde er die Dreckige Windeln Kammer aufschließen. Wieder versuchten sie, sich herauszulügen: der Vater habe befohlen, dass Josef vergeben solle.
Sie gingen zu Josef, fielen vor ihm nieder und sprachen: Siehe, wirsind deine Knechte.
Und Josef? Er weint. Fürihn war die Sache längst erledigt. Nicht nur erledigtGott hatte daraus Segen wachsen lassen.
Und nun das Erstaunliche: Josef tröstet seine Brüder! Sie rechnen mit Vergeltung und bekommen Trost!
Josef wird hiermit zu einemVorläuferJesu. Wenn Jesussagt: Dirist vergeben - dann ist es so! Er hat keine Dreckige Windeln Kammer von der aus jedes Mal ein Gestank ausgeht, wenn er mir die nächste Schuld vergibt. Mir scheint aber, dass ich, und viele meiner Mitmenschen, solche Dreckige Windeln Kammern haben - und wir deswegen davon ausgehen, dass es bei Gott nicht anders ist.
Vergebung bei Gott aber heißt: DIE SCHULD IST NICHT MEHR! Sie ist weg. Für immer! Nicht weggeschlossen, sondern weg! Dir ist vergeben. Die dreckige Windel wird dir genommen. Du darfst leben!
Die große Herausforderung an uns Christen ist, dass wir lernen, einander genau so zu vergeben, wie Christus uns vergibt. Wie das geschehen kann, dürfen wir von Josef lernen. Die Schuld seiner Brüder war groß. Sie hat ihm viele Jahre der Sklaverei und des Gefängnisses gebracht. Aber Josef weiß: Gott ist größer. Gott hat vor der Schuld der Brüder nicht kapituliert, sondern hat das Ganze in Segen umgewandelt.
Josef konnte die Schuld der Brüder an ihm in Gottes Hand geben. Das ist der Schlüssel zur Vergebung: Ich gebe das Unrecht weiter an Gott und merke: Gott ist größer als die Bosheit der Anderen.
Deshalb konnte Josef vergeben. Darum hat er sich nicht an der Frau des Potifars gerächt, die ihn ins Gefängnis hatte werfen lassen. Darum hat er die Ägypter vor der Hungersnot gewarnt, auch wenn er als ihr Sklave dorthin gekommen war. Darum konnte er seinen Brüdern vergeben und sie sogar in seine neue Heimat holen, damit auch sie überleben konnten. Josef hatte vergeben.
Vergebungmacht frei. Nicht nur den, dem vergeben wird,sondern besonders den, der vergibt! Josef war ein freier Mann - schon als Sklave und sogar im Gefängnis. Josef konnte vergeben - und darum konnte er vielen zum Segen werden.
Wie viele Menschen laufen verkrümmt, verbittert, durch das Leben, weil sie nicht vergeben können, nicht vergebenwollen?!Sie sindwederSklaven, noch im Gefängnis, und dennoch gefesselt und gebunden. Tu dir selbst den Gefallen - mach deine Dreckige Windeln Kammer leer. Sie stinkt dir nur das Haus voll! Das Zimmer kann viel besser gebraucht werden!
Zusammenfassend: Dieser Text lädt uns ein, zwei Lasten los zu werden. Erstens dieLastmeinesGewissens:Dingewovon ich nicht glauben kann, dass mir vergeben ist. Dort, wo du vor Gott schuldig geworden bist - egal, wie lange her, egal, wie schlimm, darfst du hören: Ich habe dir um Christi willen vergeben! Du darfst leben.
Manch einer wird mir nun sagen: Aber du musst doch erst um Vergebung bitten! Ich habe das eben bewusst nicht gesagt. Ich spreche von den Dingen für die du schon viele, viele Male um Vergebung gebeten hast, aber einfach nicht glauben kannst, dass er wirklich vergeben hat. So manches Unglück, manchesMissgeschickhastdualsStrafe für diesesVergehen interpretiert.Der Gestank der alten Windel ist dir immer wieder in die Nase gestiegen. Höre es heute: DIR IST VERGEBEN! Ganz und gar!
Ich lade dich ein, jetzt erstmal nichtweiterzu lesen. Werde still und nenne das bei Namen, das dich schon lange bedrückt, die Schuld, die dreckige Windel mit der du schon so lange lebst... und dann höre: Dir ist vergeben! Du darfst leben!
Die zweite Last, die ich loswerden darfist die von Dingen, die ich anderen nie vergeben habe. Wie hat mich das gefangen gehalten, wie viel Weiteres ist in meinem Leben kaputt gegangen, weil die Bitterkeit mir Kraft und Lebensfreude genommen hat?
Heute bist du eingeladen, los zu lassen. Gott ist größer als die Verschuldung anderer. Gott kann auch aus der größten Gemeinheit Gutes werden lassen. Lass los. Vergib. Öffne dich dem, was Gott mit dir machen kann und will. Erlaube ihm, seinen Segen durch dich fließen zu lassen, wo sonst nur Bitterkeit war.
Wieder lade ich dich ein, still zu werden, die Dinge und Personen beim Namen zu nennen, wo du nie vergeben konntest. Dann sprich die Worte: Ich vergebe. Ich vergebe NN die folgende Tat. Nenne Täter und Tat mit Namen. Ich vergebe.
Gott ist größer als dieses Unrecht das mir geschehen ist. Ich darf leben. Ich darf ein Segen sein!
Amen!
Horst Müller, Bischof, ELKSA(N-T) Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!