(Predigttext: 1. Joh 3, 1-2)
1 Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch! Darum erkennt uns die Welt nicht; denn sie hat ihn nicht erkannt.
2 Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen: Wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.
Liebe Gemeinde,
Weihachten geht es um Kinder. Das leuchtet jedem ein. Wer erfreut sich nicht an dem Glänzen ihrer Augen, wenn die Kerzen am Adventskranz oder jetzt gestern am Weihnachtsbaum entzündet werden? Das Leuchten in ihren Augen, aber die Diskussionen darüber, ob der Weihnachtsmann, das Christkind oder vielleicht auch jemand ganz anderes für die Geschenk zuständig ist – all das macht den besonderen Reiz dieser Zeit aus.
Kinder stehen so in verschiedener Weise im Mittelpunkt dieser Zeit – und auch der Johannesbrief redet zwar nicht von Weihnachten, wohl aber von Kindern. Natürlich ist das zuerst die Geburt eines Kindes, das erwartet und dann gefeiert wird. Das inszenieren wird mit Krippenspielen, davon hören wir in der Weihachsgeschichte und steht in Gestalt einer Krippe nicht nur hier in Kirchen, sondern auch in unseren Wohnzimmern uns vielleicht vor Augen. Und natürlich stehen dann zweitens die Kinder in der eigenen Familie im Mittelpunkt. Für sie verkleidet man sich vielleicht sogar als Weihnachtsmann, für sie werden Geschenke besorgt, für sie der Christbaum vielleicht besonders liebevoll geschmückt. Ja, vielleicht feiert sich mit Kindern Weihnachten sogar am Schönsten. Und schließlich wird der eigene Kinderblick auf die Welt wieder entdeckt. Ich erinnere mich, wie ich Weihnachten als Kinder gefeiert haben, welche Lieder, welche Gerüche, welche Eindrücke es prägten.
Weihnachten ist in diesem dreifachen Sinn ein Kinderfest, ja. Aber es ist dabei kein Fest nur für die Kinder. Sondern zu Weihnachten werden wir alle zu Kindern. Denn unsere Erwachsenenwelt wird doch – wenn auch nur für einige Tage – merkwürdig aus den Angeln gehoben. Alle gemeinsam, groß und klein, versammeln sich vor dem Kind, um dessen Geburt es geht, und werden so selbst zu Kindern, weil sie sich vor diesem einem, dem heiligen Kind, dem Christkind, Jesus dem Retter und Erlöser sammeln, in dem alle Menschen zu Gottes Kindern werden. Als Menschenkinder und Gotteskinder stehen wir vor der Krippe und uns allen gilt: „Ihr Kinderlein kommet, o kommt doch all!“
Auch wenn der Johannesbrief nicht von Weihnachten spricht, erinnert er genau daran. Wir alle werden im Wunder von Weihnachten, in der Menschwerdung Gottes eben nicht nur Menschen-, sondern auch und vor allem Gotteskinder. Das ist das Geschenk von Weihnachten, das allen gilt. Gottes Liebe liegt darin, dass er aus Liebe zu uns Mensch wird in dem Kind in der Krippe und wir so zu Gotteskindern werden. Und wir sind es auch – fügt der Briefschreiber hinzu – alle gegenläufigen Erfahrungen zum Trotz, allen Versuchen zuwider, Menschen ihres Wertes, ihrer Würde, ihrer Freiheit zu berauben.
Gottes Kinder sind wir: Das soll uns zugleich eine unwahrscheinliche Freiheit und Daseinszuversicht verschaffen. Keiner von uns ist nur ein Resultat der Verhältnisse, der Zufälle, der Rollen und Funktionen, die wir zu erfüllen haben. Als Kinder Gottes leben immer auch, jetzt schon und alle Zeit, in Gottes Ewigkeit. Ewig sein, mitten in der Zeit, über die Welt hinaus sein, geführt werden von Gottes gutem Geist, aus dem Jenseits die Kraft für die Bewältigung des Diesseits zu gewinnen, alles in allem, nie ganz von dieser Welt zu sein, nicht aufzugehen in dem, was sichtbar und erfahrbar vorhanden ist, das heißt wahrhaft ein freier Christenmensch zu sein. Es ist nebenbei gesagt genau diese Verheißung hin, auf die wir auch unsere Kinder taufen.
Wenn ich diese Botschaft von Weihnachten mir vergegenwärtige, dann wird mir deutlich, dass sie sich in meiner Zeit in Südafrika v.a. mit einem sehr südafrikanischen Lied verbindet, dass wie die Menschen hier so unverkennbar von diesem Land und diesem Kontinent geprägt ist, dass wir mich Weihnachten in Südafrika, aber auch wohl dann wieder in Deutschland mit diesem Lied verbunden bleibt. Es ist das Lied „Somerkersfees“ von Koos du Plessis. Wir singen die erste Strophe:
Welkom o stille nag van vrede, /Onder die suiderkruis, /Wyl stemme uit die verlede/ Oor sterrevelde ruis.
KOOR: Kersfees kom, Kersfees kom – / Gee aan God die eer./ Skenk ons ‘n helder Somerkersfees/ In hierdie land, o Heer.
Koos du Plessis, 1945 geboren und 1984 bei einem Autounfall in Krugersdorp ums Leben gekommen, singt mit seinem Lied vom Sommerweihnachten gleichsam Weihnachten herbei. Es ist inzwischen fester Bestandteil des Gesangbuchs unserer reformierten Schwesterkirchen. Das Lied besingt ein südafrikanisches Weihnachten – eins, das in dieses Land passt, kein Schnee, kein Dunkel, sondern eben im Sommer und dem „suidkruis“. Die stille Nacht, die wir mit einem bekannten deutschen Lied besingen, ist auch hier eine Nacht des Friedens, die wir willkommen heißen. Aber es ist kein Winter-, sondern ein Sommerweihnachten. Die Geschichte wie die Lieder, die aus der Vergangenheit zu uns kommt, soll heute, hier, in unserem Land, in unserer Zeit, wahr werden. Es soll eine Nacht des Friedens sein, der ausstrahlt, eines Friedens in den Familien, in den Gemeinden, in der Stadt dem Land unter dem „suiderkruis“ – ein Frieden, der Menschen über alle Grenzen von Sprache, Herkunft, Kultur und Hautfarbe verbindet. Wir singen die zweite Strophe:
Hoor jy hoe sag die klokke beier/ in eeue-oue taal./ Kyk, selfs die nagtelike swye /vertel die ou verhaal.
KOOR: Kersfees kom, Kersfees kom – / Gee aan God die eer./ Skenk ons ‘n helder Somerkersfees/ In hierdie land, o Heer.
Einlassen sollten wir auf unser Somerkersfees. Still werden, ganz still, unter dem offenen Sternenhimmel in den weiten unseres Landes. Und wenn wir uns dann auf dieses Stille einlassen, dann hören wir von ferne die Glocken klingen, ganz sacht, nicht laut und aufdringlich. Und in der von Klingen der Glocken unterbrochene Stille kommt die alte Weihnachtsgeschichte mit ihrem vertrauten Klang der Lieder und Geschichten zu uns: „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt. … Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth in das jüdische Land zu der Stadt Davids, die heißt Bethlehem…“ So beginnt sie, diese alte Geschichte, die immer neu erzählt wird, alle Jahre wieder. Wie Gott Mensch wird, mitten im Elend der Armut und der Flucht, in einer Welt, die sich nicht viel geändert zu haben scheint. Wie die Engel den Hirten, den Ausgestoßenen und Verachteten erscheinen, wie das Licht in die Welt kommt. Und dann, mitten im Hören der Geschichten, rufen wir, singen wir, dass dieses Licht und in diesem Licht auch Gott in die Welt kommt, nicht nur damals, sondern auch heute, in unsere Welt, in unser zerrissnes Land, zerrissen, damals zur Zeit des Augustus, damals 1971, als dieses Lied geschrieben wurde und auch heute 2017, wenn wir dieses Lied singen, beten, Gott die Ehre gebend. Wir singen die dritte Strophe.
Voel jy ook nou Sy warm liefde/ As ons die dag gedenk, /Toe Hy sy Seun aan ons gegee het – /Ons grootste Kersgeskenk.
KOOR: Kersfees kom, Kersfees kom – / Gee aan God die eer./ Skenk ons ‘n helder Somerkersfees/ In hierdie land, o Heer.
Weihnachten – Fest der Geschenke. Und das Größte davon sind nicht die, die unter dem Baum liegen. Das Größte liegt klein und schreiend in der Krippe, muss von der Mutter gestillt und von Josef alle paar Stunden neu gewickelt werden. Menschliches Leben, in dem Gott auf die Welt kommt. Unser größtes Weihnachtsgeschenk. Gottes Sohn für uns, jetzt in der Krippe, dann in der Hinwendung in Wort und Tat zu den Mensch, und dann wieder schreiend am Kreuz, alle Liebe und alles Leid der Welt in ihm vereint. Weihnachten könnten wir seine warme Liebe fühlen, Karfreitag und Ostern aus. Erinnern können wir uns daran, jeden Tag neu, nicht nur zur Weihnachtszeit. Unsere Herzen öffnen für ihn, seine Weihnachtssonne in unser Leben scheinen lassen.
Der erste Johannesbrief schreibt es so: Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch! Darum erkennt uns die Welt nicht; denn sie hat ihn nicht erkannt. 2 Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen: Wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.
Gottes Kinder sind wir, Weihnachten wird es uns geschenkt. Nicht immer ist uns das klar, nicht immer erkennen wir oder anderes da. Aber wir werden daran erinnert. Wenn wir in die Stille lauschen, wenn wir unserem hellen Sternenhimmel auch in unserem Land stehen, wenn die alten Geschichte in unserem Leben wahr werden, Bedeutung bekommen. Wenn wir auf unser Leben schauen merken wir: Nicht von dieser Welt, sondern von Gott ist, was unser Leben groß und reich macht, was uns stark, unabhängig und wahrhaft frei macht. Wenn wir in die Stille lauschen, wenn wir unserem hellen Sternenhimmel auch in unserem Land stehen, wenn die alten Geschichte in unserem Leben wahr werden, Bedeutung bekommen, dann merken wir, dass uns aus der Welt und all den schönen und schrecklichen Dingen in ihr, kein Aufschluss möglich ist über unsere Bestimmung, weshalb wir überhaupt da sind und woraufhin wir unser Leben führen.
Aber Gott gibt uns diese Bestimmung. Im Christkind in der Krippe, im Retter und Gabenbringer kommt sie uns. Denn im Kind in der Krippe werden wir zu Gotteskinder. In ihm kann ich erkennen: Ich bin unbedingt gewollt. Gott will, dass ich da bin. Er liebt mich. Er hält mich fest an seiner Hand, was auch immer geschehen wird. Deshalb bin ich gewiss, auf keinen Fall vergeblich zu leben. Ich merke es ja auch, wie sich andere freuen, dass es mich gibt. Ich kann anderen viel Gutes tun. Das alles, weil Gott mich als sein Kind haben wollte und er mich nicht aus seiner Hand lässt, ewiglich. Wenn ich das weiß, das erkenne, dann kann ich mit meinem Leben Gott die Ehre geben.
Amen