Römer 13, 1-7
Nun freut euch, lieben Christen g’mein, und lasst uns fröhlich springen, dass wir getrost und all in ein mit Lust und Liebe singen, was Gott an uns gewendet hat und seine süße Wundertat; gar teu’r hat er’s erworben.
Jedes Jahr, rund um den 31. Oktober wird der Gedenktag der Reformation gefeiert. Das Reformationsfest ist der einzige Festtag im evangelischen Kirchenjahr, der einem Ereignis aus der Kirchengeschichte gilt. Martin Luther, der Reformator fasziniert noch heute. Von ihm kann man nach wie vor viel lernen; sei es für das eigene Glaubensleben, sei es für gesellschaftliches Engagement und Zusammenleben
Er war nicht nur ein begnadeter Redner und Schriftsteller. Er war auch ein begnadeter Dichter und Musiker sagt Johannes Lähnemann in seiner Liedpredigt zum diesjährigen Kantatesonntag. Martin Luther packte die Frohe Botschaft in Liedtexte und ermunterte seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter, Lieder zu dichten. Und so entstand im Jahr 1524, also vor 500 Jahren, zuerst ein 8 Lieder-Buch in Nürnberg, und kurz danach,in Erfurt, ein Handbüchlein, mit 26 Liedern. Die wurden schnell gedruckt und weit verbreitet – die beste Werbung für den neuen Glauben! Diese ersten evangelischen Lieder haben sich rasant verbreitet. Dazu half der Buchdruck und der Buchdrucker Jobst Gutknecht Manche halten "Nun freut euch, lieben Christen g´mein“ für das theologisch stärkste seiner Lieder. Kein anderes erzählt so tiefgründig vom Glauben. Dabei war es ein Anfangswerk.
Es ist ein geistliches Lied. Und Luther hatte sich die Sache wohl genau so gedacht: Die Menschen sollten sich hineinsingen in die großen Worte des Evangeliums. Auf diese Weise sollten sie mit Leib und Seele spüren, welche Kraft darin liegt. Es verbreitete sich buchstäblich von Mund zu Mund. So soll es nach Luthers Ansicht auch mit dem Evangelium sein. In der Muttersprache soll es "unters Volck“ geraten und handfest in das alltägliche Leben eingreifen. Es ist ein balladenartiges Erzähllied, mit Bezug auf die Erlösungstat Gottes und war nicht für Kirche und Gottesdienst, sondern für Markt und Straße bestimmt. Ein reformatorisches Volkslied, das von Händlern, Handwerkern und Mägden gesungen wurde und großen Anteil an der Ausbreitung des reformatorischen Gedankenguts hatte.
Zu diesem Lied war Luther durch das Martyrium angeregt worden. Hendrik Vos und Johannes van Esschen waren zur Reformation übergetrete Augustinermönche. Als Ketzer wurden sie am 1. Juli 1523 in Brüssel auf dem Scheiterhaufen hingerichtet. Es sind für Luther und seine Anhänger stürmische und schwierige Zeiten gewesen. Seit dem Reichstag zu Worms 1521 ist er mit der Reichsacht belegt und gilt als „vogelfrei“. Seine Lehre ist verboten. Dass er noch am Leben ist verdankt er seinem Landesherrn, dem Kurfürsten Friedrich dem Weisen. Luther ist überzeugt: Wir brauchen Lieder, die jeder mitsingen kann. Und dazu nimmt er Weisen, die wie eine Volksliedmelodie klingen, ja, das kann sogar eine Tanzmelodie sein.
„ Nun freut euch, lieben Christen g’mein “:So haben wir gesungen. „Uns freuen“: Das wollen auch wir heute tun. Luthers Lied von der grundhaften Freude eines Christenmenschen wird zum regelrechten Herzensbrecher. Man muss sich die Zeit nehmen, Zeile für Zeile zu verinnerlichen. Sie bringen zur Sprache, was ihr Schreiber als wahr und befreiend erkannt hatte. Die Melodie unterstreicht den Inhalt, und das Ganze wird in jenen Tagen, und wurde auch mir in den letzten Wochen der Vorbereitung, zum Ohrwurm. Wem das Herz voll ist, geht der Mund über. Wer von Freude und Glück überwältigt wird, singt, summt, tanzt, springt. Ein Lied auf einer Rast am Lebensweg. So wirkt es auf mich sagt Karsten Loderstädt in einer Predigt. -. Herrlich, diese Auszeit genießen zu dürfen. Der Blick schweift ins Weite. Das Land liegt vor einem. Der Blick geht zurück. Die Strecke bis hierher war nicht ohne.
Luther singt von Gottes Zuwendung zu uns Menschen, von seiner „süßen Wundertat“. Gott wendet sich uns mit einem Wunder zu: sein Heil, seine Erlösung für uns verlorene Menschen und für unsere verlorene Welt durch Jesus Christus. Mit diesem fröhlichen Auftakt beginnt Luther sein Lied. In den nächsten Strophen aber wird diese Freude getrübt: Da ist die Rede von Teufel, Sünde, Tod und Hölle. Für Luther ist dennoch klar: Damit die Freude wirklich freudig werden kann, muss man sich auch dieser traurigen Realität stellen.
2. Dem Teufel ich gefangen lag, im Tod war ich verloren, mein Sünd mich quälte Nacht und Tag, darin ich war geboren. Ich fiel auch immer tiefer drein, es war kein Guts am Leben mein, die Sünd hatt’ mich besessen.
3. Mein guten Werk, die galten nicht, es war mit ihn’ verdorben; der frei Will hasste Gotts Gericht, er war zum Gutn erstorben; die Angst mich zu verzweifeln trieb, dass nichts denn Sterben bei mir blieb, zur Höllen musst ich sinken.
Zuerst spricht der Mensch in der Ich-Form – „Dem Teufel ich gefangen lag“. Luther singt von seiner eigenen Erfahrung als Mönch, der versuchte, Gottes gnädige Zuwendung durch ein tadelloses und frommes Leben zu gewinnen, und dennoch dabei versagte und deshalb verzweifelte. Nichts anderes als Verzweiflung und Angst waren die Folgen seines frommen Lebens. Beten, Fasten, Arbeiten bis zur totalen Erschöpfung und körperliche Züchtigung haben ihm keine befriedigende Antwort auf die Frage gegeben, die ihn bis dahin geplagt und ihm keine Ruhe gelassen hatte: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“:hat er gefragt.Ja - „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“: Diese Frage scheint in die Zeit des Mittelalters zu gehören. Wer fragt heute danach? Suchen die Menschen nicht auch heute nach Erlösung? Nicht bei Gott und nicht im Jenseits, sondern hier und heute? Versprechen Wohlstand, Fitness, Gesundheit, Diäten, Erfolg im Beruf nicht den Himmel auf Erden? Immer mehr, größer, besser, schneller? Suchen viele Menschen heute nicht darin den letzten Sinn für ihr Leben? Suchen sie nicht, getrieben von der Sehnsucht nach einem glücklichen und langen Leben ihr Heil in dem, was sie selbst sind und tun? Was ist aber, wenn sie merken, dass alles, was sie sind und tun, nicht genug ist, um ein erfülltes Leben zu garantieren? Was ist aber, wenn sie keine Antwort finden auf die letzte Frage nach einem Leben, das auch angesichts des Todes Bestand hat? Die Frage nach einem gnädigen Gott wird heute vielleicht nicht mehr gestellt, aber sie ist immer noch aktuell. Auch wenn heute die Welt ganz anders ist als zu Luthers Zeit und wir heute andere Fragen haben, brauchen auch wir heute Erlösung: Erlösung von den Mächten in uns und in dieser Welt, die uns selbst, unsere Beziehungen und diese Welt zerstören wollen. Und dabei sind wir auf Gott und auf seine Gnade angewiesen.
4. Da jammert Gott in Ewigkeit mein Elend übermaßen; er dacht an sein Barmherzigkeit, er wollt mir helfen lassen; er wandt zu mir das Vaterherz, es war bei ihm fürwahr kein Scherz, er ließ’s sein Bestes kosten.
5. Er sprach zu seinem lieben Sohn: „Die Zeit ist hier zu erbarmen; fahr hin, meins Herzens werte Kron, und sei das Heil dem Armen und hilf ihm aus der Sünden Not, erwürg für ihn den bittern Tod und lass ihn mit dir leben.“
6. Der Sohn dem Vater g’horsam ward, er kam zu mir auf Erden von einer Jungfrau rein und zart; er sollt mein Bruder werden. Gar heimlich führt er sein Gewalt, er ging in meiner armen G’stalt, den Teufel wollt er fangen.
Da jammert Gott in Ewigkeit / mein Elend übermaßen,/ Er dacht an sein Barmherzigkeit, / er wollt mir helfen lassen. Er wandt zu mir das Vaterherz. Plötzlich springt das Lied in eine neue Situation. Gottesgeschichte und Menschengeschichte treffen zusammen. Gott verbindet sich mit den Menschen. Mit dir und mit mir. Und lässt es "sein Bestes kosten“.
In Vers 5, spricht Gott mit Jesus. Was wir Menschen für uns selbst nicht tun können, das tut Gott für uns aus lauter Barmherzigkeit. In seiner Barmherzigkeit fasst er den Entschluss, seinen Sohn Mensch werden zu lassen, damit er selbst die Menschen aus ihrer Verstrickung von Schuld und Tod befreie. Und in der 6. Strophe singt er von der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus. In Jesus Christus wurde Gott zu unserem Bruder, der sich erniedrigte und den Weg des Kreuzes auf sich nahm. In Jesus Christus versöhnte Gott die Welt mit sich selbst und öffnete damit den Weg zu ihm. Christus ist das Gesicht des gnädigen Gottes. In Christus schaut Gott uns gnädig an, durch Christus schauen wir Gott in sein gnädiges Gesicht. Schließlich, in Vers 7-10, spricht Jesus zu mir, zu dem Menschen.
7. Er sprach zu mir: „Halt dich an mich, es soll dir jetzt gelingen; ich geb mich selber ganz für dich, da will ich für dich ringen; denn ich bin dein und du bist mein, und wo ich bleib, da sollst du sein, uns soll der Feind nicht scheiden.
8. Vergießen wird er mir mein Blut, dazu mein Leben rauben; das leid ich alles dir zugut, das halt mit festem Glauben. Den Tod verschlingt das Leben mein, mein Unschuld trägt die Sünde dein, da bist du selig worden.
9. Gen Himmel zu dem Vater mein fahr ich von diesem Leben; da will ich sein der Meister dein, den Geist will ich dir geben, der dich in Trübnis trösten soll und lehren mich erkennen wohl und in der Wahrheit leiten.
10. Was ich getan hab und gelehrt, das sollst du tun und lehren, damit das Reich Gotts werd gemehrt zu Lob und seinen Ehren; und hüt dich vor der Menschen Satz, davon verdirbt der edle Schatz: das lass ich dir zur Letze.“
Ein Lied zur Rast im Gottesdienst. „Was ich getan hab und gelehrt, das sollst du tun und lehren, damit das Reich Gotts werd gemehrt zu Lob und seinen Ehren!“ (Vers 10) ¬Obgleich der Boden schwankt, dürfen wir fest stehen.
Vielleicht gelingt es uns, dass man uns die innere Freude einer zum Leben befreiten Existenz anmerkt. Weil wir den Tag besonnen beginnen. Weil wir versuchen, den Nächsten zu sehen, wie Gott uns sieht. Weil wir uns besinnen und wissen: „Die Güte unseres Herrn ist‘s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß.“ (Klagelieder 3,22f.)
Martin Luther fasziniert noch heute. Von ihm kann man nach wie vor viel lernen; sei es für das eigene Glaubensleben, sei es für gesellschaftliches Engagement und Zusammenleben.(Benjamin Hasselhorn)
„Nun freut euch, lieben Christen g‘mein“
Freut euch! Wir haben Grund zum freuen: einen Glauben zum Erleichtern, nicht zum Beschweren. Einen Gott, der aufrichtet und nicht niederdrückt, eine Weite, die offen steht, um Gutes zu entfalten. Wir dürfen dies mitfeiern und davon mitsingen und Gott ins Gebet nehmen für seine Wundertat. Er selbst sei unter uns und segne was wir tun in seinem Namen, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen