2024-11-17 - Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr - (DE) - Pastorin Kornelia Schauf

Römer 14, 1-13


predigt english


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen


1 Nehmt den an, der im Glauben schwach ist, ohne mit ihm über verschiedene Auffassungen zu streiten.

2 der eine glaubt, alles essen zu dürfen, der Schwache aber isst kein Fleisch.

3 Wer Fleisch isst, verachte den nicht, der es nicht isst; wer kein Fleisch isst, richte den nicht, der es isst. Denn Gott hat ihn angenommen.

4Wie kannst du den Diener eines anderen richten? Sein Herr entscheidet, ober er steht oder fällt. Er wird aber stehen, denn der Herr bewirkt, dass er steht.

5 Der eine bevorzugt bestimmte Tage, der andere macht keinen Unterschied zwischen den Tagen. Jeder soll aber von seiner Auffassung überzeugt sein.

6 Wer einen bestimmten Tag bevorzugt, tut es zur Ehre des Herrn. Wer Fleisch isst, tut es zur Ehre des Herrn; denn er dankt Gott dabei. Wer kein Fleisch isst, unterlässt es zur Ehre de Herrn, und auch er dankt Gott.  

7 Keiner von uns lebt sich selber und keiner stirbt sich selber: 8Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn.

9 Denn Christus ist gestorben und lebendig geworden, um Herr zu sein über Tote und Lebende,

10 Wie kannst du deinen Bruder richten? Und du, wie kannst du deinen Bruder verachten? Wir werden doch alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.

11 Denn es heißt in der Schrift: So wahr ich lebe, spricht der Herr, vor mir wird jedes Knie sich beugen und jede Zunge wird Gott preisen.

12 Also wird jeder von uns vor Gott Rechenschaft über sich selbst ablegen.

13 Daher wollen wir uns nicht mehr gegenseitig richten. Achtet vielmehr darauf, dem Bruder keinen Anstoß zu geben und ihn nicht zu Fall zu bringen.

14 Auf Jesus, unseren Herrn, gründet sich meine feste Überzeugung, dass an sich nichts unrein ist; unrein ist es nur für den, der es als unrein betrachtet. 


Liebe Gemeinde,

ist das ein Trost, dass in christlichen Gemeinden von Anfang an gestritten wurde? Ja, das ist ein Trost und es zeigt mir, dass es ohne Auseinandersetzung nicht geht. Wir Menschen haben unterschiedliche Auffassungen vom Leben. 

Paulus spricht über die unterschiedlichen Essgewohnheiten. In Rom stritten die Christen darüber, ob sie Fleisch essen sollten oder nicht. Damals stand hinter dem Streit die Frage, ob die jüdischen Essensgebote auch für Christen gelten, die keinen jüdischen Hintergrund haben.

Heute wird wieder über das Essen gestritten. Muss ein Christ vielleicht Vegetarier sein? Heute steht im Hintergrund die Frage: ist das für Klima und Schöpfung besser, wenn wir weniger Fleisch essen?

Das Ja- oder Nein zum Fleischessen ist für Paulus ein Beispiel.

Auch heute ist es nur ein Beispiel. Es steht als Beispiel dafür: Wie sollen wir als Christen leben?

Wie wird das, was Paulus in den ersten dreizehn Kapiteln in seinem Römerbrief geschrieben hat konkret?

In den ersten dreizehn Kapiteln geht es um Theologie. Wie verstehen wir Christen Tod und Auferstehung? Was bedeutet die Rechtfertigung der Sünder? 

Dreizehn Kapitel in denen Paulus die großen Themen Gnade, Rechtfertigung, Auferstehung, Taufe behandelt.

Und dann in Kapitel 14: da wird es praktisch.

Das bedeutet: Was wir glauben, wovon wir wirklich überzeugt sind, das wird in unserem Alltag sichtbar.

Glaube und Alltag gehören für Paulus zusammen.
Was ich glaube und wie ich lebe – das soll eine Einheit sein.

Darüber sind wir uns in dieser Gemeinde weitestgehend einig. In Gesprächen mit euch wird mir das sehr deutlich: jede und jeder bemüht sich, dass der Glaube praktisch ist.

Aber bedeutet es, dass wir alle zu der gleichen Erkenntnis kommen?

Bedeutet es, dass es nur einen christlichen Lebensstil gibt?

Bedeutet es, dass wir in ethischen Fragen immer einer Meinung sein sollten?

Wir beschäftigen uns mit den Konfirmanden in diesem Jahr mit der Frage: Was würde Jesus tun?

Im Konfirmandenunterricht geht es uns erst einmal darum, dass sich die Jugendlichen mit Jesus, seinen Leben und Sterben und seiner Auferstehung beschäftigen und davon hören.

Dann aber kommt der nächste Schritt: was würde Jesus tun?
Würde Jesus nun Fleisch essen oder nicht? 

Sobald wir eine konkrete Situation vor Augen haben, werden wir niemals eindeutig sagen, was würde Jesus tun.

Gehen wir nach Rom. Da gab es Judenchristen, die überzeugt waren: Wir dürfen kein Fleisch essen, wenn wir echte Christen sind. Sie blieben ihrer Tradition treu. So waren sie erzogen. Das haben ihre Vorfahren beigebracht.

Da gab es Heidenchristen, die überzeugt waren: die jüdischen Gebote gelten für uns nicht. Wir sind Christen und haben keinen jüdischen Hintergrund.

Und das war nur ein Beispiel und eine Frage. Es wurde auch darüber gestritten, ob man heiraten soll oder nicht, ob man sich scheiden lassen kann oder nicht, ob Frauen predigen dürfen oder nicht.

Zweitausend Jahre später gibt es noch immer keine eindeutige Antwort. Obwohl schon soviel darüber geschrieben und geredet wurde. 

Ich glaube, dass ist die Freiheit, die Paulus in den ersten Kapiteln seines Briefes beschreibt und hier auf den Punkt bringt.

So sehr es richtig ist, sich zu fragen, wie lebe ich meinen Glauben im Alltag – Nichts von dem, was ich für mich als richtig erkenne, muss auch richtig sein für meinen Bruder oder Schwester im Glauben.

Wie kannst du deinen Bruder richten?

Das ist der Kernsatz in diesem Predigttext. Wie kannst du deinen Bruder und deine Schwester richten? Mit anderen Worten: Wie kannst du dich zum Maß aller Dinge machen?

Wie kannst du wissen, was Jesus tun würde?

So wichtig es ist, diese Frage zu stellen und so lobenswert es ist, seinen Alltag so zu gestalten, dass deutlich wird: ich bin eine Christin – es kann doch sein, dass mein Bruder und meine Schwester anders entscheiden, anders denken, anders leben.

Paulus ermahnt die Gemeinde: Keiner von uns ist Richter. Diese Aufgabe ist Gottes Aufgabe.
Keiner, der mit seiner Erkenntnis zum Maßstab für alle wird.

Das steht im Mittelpunkt unseres evangelischen Glaubens. Das ist, was Martin Luther betont hat.

Die Freiheit eines Christenmenschen, nennt es Martin Luther.

Unser Lebensstil – unsere Werke, so gut sie auch sind, so ethisch, so richtig – unser Lebensstil rettet uns nicht.

Denn so sehr wir uns auch bemühen, ein gutes, ein richtiges Leben zu führen: wir bleiben verstrickt in Schuld und Not.

Paulus tröstet die Gemeinde in Rom: Ihr braucht euch euren Platz im Himmel nicht durch gute Taten erwerben.

Und dann kommt ein weiteres, was für Paulus viel wichtiger ist: es ist nicht so wichtig, dass alle das gleich denken und tun. Die einen sollen Fleisch essen. Die anderen sollen darauf verzichten: Wichtig ist, dass ihr trotz eurer Unterschiede eine Gemeinde seid.
Viel wichtiger ist, dass ihr euch nicht richtet, sondern als Geschwister versteht.

Dass ist für Paulus der Alltag des Glaubens: nicht so sehr der persönliche Lebensstil des einzelnen, sondern das Zusammenleben von unterschiedlichen Menschen.

Dass wir unterschiedliche Meinungen haben zu fast jedem Thema, davon können wir ausgehen. Wie wir mit den unterschiedlichen Meinungen umgehen: da lernen wir von Jesus.
Was würde Jesus tun? Verständnis füreinander säen.

Keiner lebt sich selber – also: keiner ist allein in der Welt.

Keiner stirbt sich selber – also: jeder Tod bewegt andere.

Wir gehören zu Christus.

Das, was Paulus im achten Kapitel des Briefes so deutlich beschrieben hat: Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes, das kommt hier wieder vor.

Nichts kann uns trennen? Und vor allem: Niemand von uns kann den anderen richten!
Niemand weiß es besser! 

Und niemand ist besser. Die Russen nicht besser als die Ukrainer. Die Juden nicht besser als die Palästinenser.
Die Reichen nicht besser als die Armen.
Die Gesunden nicht besser als die Kranken.

Da gibt es keinen Grund irgendjemand wegen einer anderen Meinung, oder wegen einer anderen Herkunft oder wegen eines anderen Lebensstils zu verachten und zu verurteilen.

Wir sind keine Richter. Wir sind Mitmenschen. Nicht mehr und nicht weniger.

Für jeden persönlich ist es gut, davon auszugehen, eines Tages vor dem Richterstuhl zu stehen. Es ist nicht egal, wie wir leben. Paulus Sätze sind kein Freibrief fürs Stehlen und Morden. Paulus Freiheit meint nicht, macht doch, was du willst.

Paulus hat einen hohen moralischen Anspruch. Das wissen wir. Er hat an sich hohe Erwartungen.

Gut so.
Gut, wenn wir versuchen unseren Glauben im Alltag sichtbar werden zu lassen. Gut, wenn wir uns an Jesus orientieren, auch an den Geboten. Ja, das ist alles gut und wichtig und großartig – doch kein Grund, sich besser zu fühlen.

Wir werden Rechenschaft ablegen – vor allem darüber, wie wir miteinander umgehen. Unsere Schuld wird uns nicht von Gott trennen. Ich teile Paulus Gewissheit.
Vor dem Ende habe ich keine Angst.

Doch vor dem Ende leben wir mit vielen anderen in dieser Welt – und die Aufgabe der christlichen Gemeinden ist es, zu zeigen: Wir unterschiedliche Menschen lieben einander und finden zueinander. Wir streiten, aber wir urteilen nicht. Wir setzen uns auseinander, aber wir trennen uns nicht. Wir sind von unserer Meinung überzeugt, doch verachten die andere Meinung nicht.

Das ist unser Beitrag zum Frieden.
Das ist, was Paulus bewegt: Die Einheit, in der Platz ist für Widerspruch und Gegensatz. Die Einheit, in der Platz ist für unterschiedliche Meinungen und Lebensstile.

In Christus gehören wir zusammen. 

Lasst uns daran festhalten und zusammenhalten, damit die Welt erkennt: Gottes Liebe wirkt in uns und unter uns – nichts kann uns von ihr trennen.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen

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