Jesaja 35, 3-10
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Liebe Gemeinde,
Meine Predigt beginne ich heute mit einem kleinen Experiment.
Es handelt sich um ein Adventsgedicht, das vielleicht der ein oder die andere schon kennt. Da wir jetzt ja immer so schön mit dem Beamer arbeiten, können wir das Gedicht gemeinsam lesen:
Der Titel:
Umdenken / Perspektivwechsel
Advent heißt Warten
Nein, die Wahrheit ist
Dass der Advent nur laut und schrill ist
Ich glaube nicht
Dass ich in diesen Wochen zur Ruhe kommen kann
Dass ich den Weg nach innen finde
Dass ich mich ausrichten kann auf das, was kommt
Es ist doch so
Dass die Zeit rast
Ich weigere mich zu glauben
Dass etwas Größeres in meine Welt hineinscheint
Dass ich mit anderen Augen sehen kann
Es ist doch ganz klar
Dass Gott fehlt
Ich kann unmöglich glauben
Nichts wird sich verändern
Es wäre gelogen, würde ich sagen:
Gott kommt auf die Erde! (Iris Macke)
Ja, da staunen wir: Von einer Seite betrachtet, lösen die Worte so eine negative Stimmung aus. Und von der anderen Seite betrachtet, entsteht große Hoffnung.
Dieses Experiment lässt mich Gedanken der Propheten besser verstehen. Im Grunde ist es ihre Aufgabe die Welt, in der es traurig und schwierig ist, von einer anderen Seite zu betrachten.
Heute haben wir es mit einem großen Propheten zu tun. Es geht um Jesaja.
Noch einmal: In jedem Land, in jeder Gesellschaft übernehmen Menschen unterschiedliche Rollen. Eine Rolle, ein besonderes Amt hat die Prophetie. Die Propheten sprechen aus, was andere nicht sehen können oder wollen. Propheten schauen weiter und erkennen, wohin etwas führt, wenn man so weiter macht. Propheten haben auch die Gabe, sich die Zukunft besser vorzustellen, als die Gegenwart verspricht.
Damit sind wir bei Jesaja: es geht um ein Persepktivwechsel. Es geht um das Umdenken.
Es geht darum, dass Menschen in Not Bilder für ihre Seele geschenkt bekommen. Diese Bilder bewirken neue Hoffnung. Und neue Hoffnung ist der erste Schritt zur Heilung.
Ich lese Jesaja 35, 3-10
3 Stärket die müden Hände und macht fest die wankenden Knie!
4 Saget den verzagten Herzen: „Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott! Er kommt zur Rache; Gott, der da vergilt, kommt und wird euch helfen.“
5 Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden.
6 Dann werden die Lahmen springen wie ein Hirsch, und die Zunge der Stummen wird frohlocken. Denn es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme im dürren Lande.
7 Und wo es zuvor trocken gewesen ist, sollen Teiche stehen, und wo es dürre gewesen ist, sollen Brunnquellen sein. Wo zuvor die Schakale gelegen haben, soll Gras und Rohr und Schilf stehen.
8 Und es wird dort eine Bahn sein, die der heilige Weg heißen wird. Kein Unreiner darf ihn betreten; nur sie werden auf ihm gehen; auch die Toren dürfen nicht darauf umherirren.
9 Es wird da kein Löwe sein und kein reißendes Tier darauf gehen; sie sind dort nicht zu finden, sondern die Erlösten werden dort gehen.
10 Die Erlösten des Herrn werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein, Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen.
Von der einen Seite betrachtet wird deutlich, dass Jesaja zu Menschen redet, die müde und verzweifelt sind. Seine Adressaten sind Menschen, die keinen Boden mehr unter den Füßen haben. Sie stehen nicht mehr auf festem, bekannten Heimatboden.
Jesaja schreibt für die Juden, die aus ihrem Lande verschleppt wurden und in der Babylonischen Gefangenschaft sind. Sie sind zwar nicht eingesperrt, aber sie sind nicht in der Heimat.
Sie sind durch eine Wüste gegangen.
Hier kommt es aber eben auf die Richtung an, auf das Ziel.
Als sie vor langer Zeit aus Ägypten kamen und aus der Gefangenschaft, mit Hilfe Gottes aufgebrochen waren, da ging der Weg auch durch die Wüste. Es war auch ein schwerer Weg, aber ein Weg mit einem wunderbaren Ziel. Sie gingen in die Freiheit.
Sie ahnten, dass ein großartiges Leben auf sie wartet.
Wenn man auf so ein Ziel zugeht – dann lassen sich auch Wüstenzeiten aushalten.
Aber in der Babylonischen Gefangenschaft, da war es umgekehrt gewesen: Der Weg durch die Wüste führte in die Heimatlosigkeit und Unfreiheit. Es war kein Weg mit einem ersehnten Ziel.
Die Wüste ist in diesen Versen bei Jesaja tatsächlich eine echte Wüste, die auf dem Weg von Israel nach Babylon durchschritten wurde. Die Wüste ist aber auch ein Bild für das, was die gemeinsame Seele des Volkes Gottes erlitt. Das Volk ist ausgebrannt und verzweifelt. Nicht ist so, wie es ihnen verheißen war. Sie sind wieder unter der Herrschaft eines anderen Regenten.
Wie wollen sie das aushalten. Da gibt es einige, die vorschlagen: Lasst uns hier eine neue Heimat finden. Lasst uns unseren Glauben vergessen. Unser Gott ist schwach.
Lasst uns wie die Babylonier leben.
Und da sind andere, die das nicht zulassen.
Eure Vorfahren sind überwiegend freiwillig nach Südafrika gereist. Doch eine Wüstenerfahrung wird es auch gewesen sein. Die Frage, ob man mit der Heimat verbunden bleibt, die doch so unendlich weit entfernt scheint. Die Frage, ob man einfach mitmacht und aufgibt.
Ihr wisst, dass es da unterschiedliche Antworten gibt.
Jesaja spricht als Prophet in diese Situation und lässt das jüdische Volk wissen: Gott hat noch immer etwas mit euch vor.
Und man könnte meinen, dass Jesaja schon mal in Namaqualand gewesen ist. Denn so ähnlich beschreibt er das Wunder des Neuanfangs.
Da wird Wasser sein und mit dem Wasser wird die Wüste blühen.
Solange da kein Wasser ist, kein Regen kommt seht ihr nichts. Aber mit dem Wasser, da werden euch die Augen aufgetan: da seht ihr, was da alles noch lebendig ist – überlebt hat in der Wüste.
Das kündet Jesaja an: die Wüste wird blühen.
Mehr noch: aus der bedrohlichen Wüste, in der Menschen den wilden Tieren ausgeliefert sind und wo große Unsicherheit herrscht – da werden die Erlösten ihren Weg ungehindert gehen.
Großartig: hört es euch an!
Nun könnte man meinen, wenn wir den großen Sprung wagen in unsere heutige Zeit, dass Jesaja sich geirrt hat. Wir können wieder so in die Welt schauen, dass wir sagen:
es ist ein furchtbarer Ort. Viele Menschen erleben die politische Gegenwart oder auch ihr persönliches Leiden als Wüstenerfahrung.
Man kann sich darin verirren. Man hat keine seelische Heimat. Es geht einem der Mut verloren. Ja, das alles kann sein. Wir kennen sicher Menschen, bei denen es so ist.
Es geht nicht immer gut aus. Es gibt Menschen, die nicht heil werden, weder körperlich, noch seelisch.
Und trotzdem ist und bleibt wahr: dass Gott inmitten der Wüste Menschen beruft und sie mit Bildern von einer besseren Welt und mit Hoffnung segnet. Das sind die Menschen, die vertrauen: die lange vor dem Regen schon ahnen, wie schön es blühen wird.
Es ist ein Wunder für mich, dass es schon Jahrtausende so ist: da werden Menschen zur Hoffnung berufen und für den Dienst an ihren Mitmenschen. Dieser Dienst heißt:
Hoffnung bewahren. Keinen unbegründeten Optimismus, der über das Leiden hinweg geht und erbarmungslos sagt: Das wird schon wieder!
Nein, davon ist nicht die Rede.
Es ist die Rede von einer Kraft, die dem Tod standhält. Sie schafft den Tod nicht aus der Welt, aber sie sieht jenseits aller Leiderfahrung die Möglichkeit von neuem Leben.
Im Advent – am ersten Urlaubswochenende der langen Sommerferien hören wir solche ernsten Worte: Advent ist keine leichte Zeit: Wer warten muss, obwohl er kaum noch warten kann, weil die Kraft ihm ausgeht, der versteht etwas vom Advent.
Wir warten Gott entgegen.
Wir richten uns aus, denken um – der Weg geht zurück in die Heimat. Der Weg geht zurück dahin, wo wir uns geborgen fühlen.
Das ist die große Verheißung, die wir mit Jesus Christus verbinden.
Sein Tod war ein Weg durch die Wüste – in die Gefangenschaft des Grabes. Die Propheten sehen weiter: auch jenseits des Grabes: Da wird nicht nur etwas blühen: da ist neues Leben.
Wir haben das große Glück und Vorrecht, dass wir wissen: der Messias ist schon da. Er war schon in der Welt – er hat sie schon hinter sich gelassen: Er hat den Weg durch die Wüste geschafft. Sie blüht.
Die Wüste, die blüht ist dem Paradies sehr nahe und darf doch nicht mit ihm verwechselt werden. Die Wüste kennt die Not – die Not ist dem Paradies fremd.
Jesus ist in die Wüste geführt worden, um seine Rolle, seine Aufgabe, seine Bestimmung zu erkennen: Kein mächtiger Herrscher zu werden, der mit Gewalt durch die Lande zieht und verwüstet, sondern ein sanftmütiger Mann, der auf seinem Weg Menschen mit Hoffnung segnet und da, wo er war, neues Leben aufblüht.
Lasst uns umdenken, indem wir uns mit Hoffnung beschenken lassen und dann froh und frei bekennen, was andere nicht sehen können.
Der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen