Jesaja 9, 1-6
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen
Liebe Gemeinde,
Weihnachtslieder spielen in unserer Gemeinde und in unserem Glauben eine große Rolle. Das habe ich durch die Bitte, mir Lieder zu schicken deutlich gespürt. Dann werden Geschichten dazu erzählt: „Weißt, Du Kornelia, wenn ich das Lied singe, dann ist Weihnachten für mich. Es erinnert mich an meine Mutter. Oder es erinnert mich an eine besondere Zeit…“
Es gibt alte und neue Lieder. Das Weihnachtsliederdichten hat kein Ende.
Unser Predigttext heute hat den Charakter eines Weihnachtslieds, obwohl es wahrscheinlich 730 Jahre vor der Geburt Christi entstanden ist.
Weihnachtslieder erzählen auch immer von der Situation, in der sie geschrieben wurden: Paul Gerhard dichtet im Krieg. Detlev Jöcker in friedlichen Zeiten für Kinder.
Das Lied in Jesaja 9.1-6, das ich gleich auch lesen werde entstand in einer Zeit, in der das Volk Israel in Angst lebte. Der Nachbarstaat wurde als Bedrohung erlebt. Der König der Assyer war als Kriegsheld bekannt.
Da sehnte sich Israel nach einem Retter. „Wenn uns doch nur jemand retten könnte!“ Es sollte ein Retter aus dem Haus David sein. Man hoffte, dass er von Geburt an mit besonderen Gaben befähigt wäre.
Als Jesus dann geboren wurde, haben Menschen sich an dieses alte Lied erinnert und gehofft, dass ihr Wunsch in Erfüllung gegangen sei.
Deshalb beschäftigen wir uns auch am Heiligabend nicht nur mit der Weihnachtsgeschichte nach Lukas, sondern auch der alten Prophetie.
„Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht; und über die da wohnen im finsteren Lande, scheint es hell.
Du machst des Volkes viel; du machst groß seine Freude. Vor dir wird man sich freuen, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt.
Denn du hast das Joch ihrer Last und die Rute ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie zur Zeit Midians.
Denn alle Rüstung derer, die sich mit Ungestüm rüsten, und die blutigen Kleider werden verbrannt und mit Feuer verzehrt werden.
Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt, Wunderbar, Rat, Kraft, Held, Ewig-Vater, Friedefürst;
auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Stuhl Davids und in seinem Königreich, dass er`s zurichte und stärke mit Gericht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit.“
Die Worte wirken. Jedes einzelne Wort ist wohl gewählt. Ich werde nur auf einige eingehen können, denn ihr habt ja auch noch andere Pläne für den heutigen Abend.
Das erste Bild: Ein Volk, das im Finstern wandelt – sieht ein Licht. Immer wieder werden n der Geschichtsschreibung bestimmte Phasen als „finstere Zeiten“ beschrieben. Ganz oft ist es das „finstere Mittelalter“.
Es war ja auch wirklich viel dunkler, weil es noch keine elektrische Beleuchtung gab. Es war aber auch finster, weil Menschen so sehr in Angst und Furcht lebten und Mächtige die Unwissenheit ihrer Mitmenschen ausnutzten.
Dann werden Kriegszeiten, Unterdrückung, Unrechtsherrschaften auch als „finstere Zeit, finstere Machenschaft“ erlebt. Was mich beim Blick in solche Zeiten beschäftigt, wie orientierungslos Menschen werden können, dass sie selbst nicht mehr gut einschätzen: was ist richtig und was ist falsch. Was ist gut und was ist böse. Was fördert den Frieden und schafft ihn und was ist letztlich eine weitere Verwüstung.
So orientierungslos waren die Israeliten in der Gefangenschaft, wo das Lied von Jesaja hingehört. Sie fragten sich: Was haben wir falsch gemacht? Wie sind wir hier gelandet? Erst im Nachhinein verstanden sie, was sie selbst dazu beigetragen hatten und wie orientierungslos sie geworden waren. Die Gebote zählten kaum noch. Gott spielte eine immer kleinere Rolle.
Diese Orientierungslosigkeit begegnet mir in der heutigen Zeit in unbeschreiblicher Weise. Woran orientieren wir uns? Was ist unser Leitstern? Was sind unsere Leitfragen? Woran richten wir uns aus.
In Israel war es lange so gewesen: Die Gebote Gottes: Das sind die Weisungen zum Leben. Ihnen zu folgen, sich daran zu orientieren, verspricht Befreiung. Befreiung aus der Orientierungslosigkeit.
Wenn ich mir in Bücherregalen anschaue, wieviele Ratgeber es zu allen Fragen des Lebens gibt, dann führe ich das auch auf eine grundlegende Orientierungslosigkeit zurück. Die Folgen sind Erschöpfung, Überforderung. Das Leben wird ein einziges Rennen nach Glück, das ich nicht finden kann, weil ich womöglich an ganz falscher Stelle suche.
Die einfache und doch so befreiende und beglückende Wahrheit, die Jesaja verkündet: er erinnert an Gott als den Ursprung und das Licht der Welt. Gott ist noch da! Gott ist gegenwärtig in der Welt. Er scheint als Licht. Es ist noch immer möglich, sich an Gott zu orientieren.
Gott als Bezugspunkt. Gott als Du, damit ich weiß, wer ich bin und wie ich meinen Weg finde.
Das leuchtet bei Jesaja auf. Gott in der Welt. In allem Fortschritt, aller technischen Entwicklung, allen Hoffnungsprojekten in Bildung und Wirtschaft darüber leuchtet noch etwas anders: Die Erleichterung, dass wir Menschen nicht allein gelassen werden in dieser Welt, sondern Gott in ihr wohnt.
Gott nicht irgendwie in der Welt wohnt, wo man ihn nicht finden kann, sondern überall da ist: Die ganze Welt ist seiner Ehre voll. Das Licht scheint überall in der Finsternis. Gott selber ist in der Welt, hat uns im Blick. Gott sieht auf die Menschen, die in der Finsternis zu Fall kommen.
Das Licht ist nicht ein grelles, beängstigendes Licht. Es ist kein Scheinwerfer, mit dem man an die Wand gestellt wird. Es ist kein hässliches Neonlicht, das die Nacht zum Tag macht und von Menschen fordert Tag und Nacht zu arbeiten.
Das Licht, von dem Jesaja spricht ist anders: warm und klar. Freundlich. Beruhigend. Es ist das Licht, das in der Weihnacht so eine große Rolle spielt. Es ist das Licht, das nach einer langen Nachtwache kommt. Endlich bricht der Morgen an. Es ist ein Morgenlicht. Ein Hoffnungslicht. Daher bekommt dieses Licht – der Sohn, der uns gegeben ist auch so wunderbare Namen: er heißt Wunderbar, Rat, Kraft, Held, Ewig-Vater, Friedefürst“.
Da ist eine neue Hoffnung geboren -mitten in einer bedrohten Welt. In einer Welt in der Kaiser Augustus regiert – oder ähnlich grausame Herrscher mit moderneren Namen. Die Welt wird nicht automatisch besser, wenn die Menschen wieder Licht sehen, doch die Orientierungslosigkeit ist vorüber. Die Füße werden wieder auf den Weg des Friedens gesetzt, der nicht mit Waffen zu erreichen ist.
Gott wird ein Retter, indem er uns aus der Hoffnungslosigkeit rettet, aus der erdrückenden Angst, aus der niederschlagenden Traurigkeit. Gott rettet, indem er Orientierung schenkt. Es geht weiter mit der Liebe.
Ein Kollege hat es so ausgedrückt: Weihnachten ist der Tag der Geburt des Ersten Sohnes Gottes, der gekommen ist, um uns, die anderen Söhne und Töchter Gottes, an die Hand zu nehmen und zu begleiten auf dem Weg mit dem Vater durch diese Welt.
Der Weg auf dem wir gehen ist ein Weg, der vom Licht begleitet ist. Es ist ein Weg, wo wir wohl die Geborgenheit und Ruhe von Dunkelheit und Nacht erleben, aber nicht die Angst, vom Weg abzukommen. In Gottes Licht finden wir Orientierung für unser eigenes Leben, für das unruhige Herz, das Ruhe findet und für unsere Aufgabe, Berufung in der Welt: Unerschrocken das Licht hineintragen, zu denen, die in Finsternis gefangen sind. So wird die Freude wachsen, sich ausbreiten durch die Menschen, an denen Gott wohlgefallen hat. Menschen, die gut von böse unterscheiden können. Menschen, die in der Begegnung mit ihren Mitmenschen sich selbst erkennen. Menschen, die frei bleiben und Hoffnung schenken.
Diese Hoffnung drücken wir in unseren Liedern aus. Mit den Engeln und Hirten, mit Maria und Josef, mit den Tieren im Stall, mit den Menschen dieser Welt, singen wir keine Marschlieder, sondern fröhliche Lieder: Christ der Retter ist da. Darum Freue, freue dich, o Christenheit.
„ Skenk oons a helder sommerkersfees - Schenke uns ein helles leuchtendes Sommerweihnachtsfest!“
Der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen