Johannes 1, 1-5.9-14
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
1Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.
2Dasselbe war im Anfang bei Gott.
3Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.
4In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
5Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht ergriffen.
9Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.
10Es war in der Welt, und die Welt ist durch dasselbe gemacht; und die Welt erkannte es nicht.
11Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf.
12Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden: denen, die an seinen Namen glauben,
13die nicht aus menschlichem Geblüt noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern aus Gott geboren sind.
14Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
Anfang. Ein schönes Wort. Es wirkt unbeschwert. Anfang heißt, jetzt geht etwas los. Gleich ist es so weit.
Anfang. Das Wort birgt viele Versprechen. Es beherbergt Möglichkeiten.
Am Anfang. Unbeschwert und unbefangen. Am Anfang – noch ist nichts passiert: alles ist offen.
Menschen liebe Anfänge. Hermann Hesse behauptet den Anfängen wohnt ein Zauber inne.
deshalb verstehe ich auch den Wunsch, den Menschen manchmal aussprechen: „ach, könnte ich nochmal neu anfangen“.
Das stellt sich dann als Illusion heraus. Der Wunsch beinhaltet, das etwas das schief gelaufen ist und beschwert, rückgängig gemacht werden kann. Der Wunsch nach einem Neuanfang ist die Sehnsucht, Schweres zu bewältigen, hinter sich zu lassen. Und so versuchen Menschen neue Anfänge.
Im Anfang.
So beginnt Johannes sein Evangelium. Er besinnt sich auf den Anfang. Den Ursprung. Am Anfang stand ein Wort, so lernt Johannes bei Blick ins Alte Testament.
Das Wort: Gott sprach: es werde!
Am Anfang sind wir bei Gott – Gott ist der Anfang.
Wir haben unser Leben nicht selbst begonnen. Am Anfang waren wir verbunden – am Anfang waren Menschen um uns herum, denen wir anvertraut wurden.
am Anfang war die Geburt. Geburt ist das größte Bild für Anfang. Wenn wir ein Kind erwarten oder ein Baby im Arm halten, da verstehen wir vielleicht etwas besser, was Anfang meint.
Johannes erinnert an die Geburt Gottes: in der Schöpfung. Im Wort. In Jesus Christus.
Gott wird. Gott ist am Anfang – er ist Anfänger und wird dann eines Tages auch Vollender werden.
Johannes schreibt von Gott als einem Gott, der geboren wird in der Welt. „Fleisch geworden“. Das hört sich für unsere Ohren derb an. So ist es gemeint. Gott ist kein unnahbarer Geist, der in der Welt herumwabbert, ohne, dass man ihn zu fassen bekommt. Im Gegenteil: Gott wird klein.
In der Krippe lag kein holder Knabe mit lockigem Haar. Da lag ein Menschenkind, angewiesen auf die Fürsorge seiner Eltern. Ein kleines Kind, ausgeliefert, schutzbedürftig.
Johannes beschreibt Gottes Geburt in der Welt als neuen Anfang. Johannes möchte über Gott etwas neues erzählen. Er möchte die alten Bilder von Gott aus der Welt schaffen, hinter sich lassen. Er möchte, dass Gott nochmal neu anfangen kann. Da ist Gott nicht mehr der furchtbare Herrscher, vor dem die Welt erzittert. Da ist Gott kein mächtiger Kriegsmann, der mit Soldatenstiefeln über die Welt trampelt und sie verwüstet.
Johannes macht Schluss mit diesem Gottesbild, das in der damaligen Welt, in Rom und Griechenland das vorherrschende Bild von Göttern war.
Dieser Gott ist anders.
Da liegt er. Er sitzt nicht einmal auf einem Thron. Er liegt, dem Boden sehr nahe.
Da liegt er und wird angeschaut und entfaltet seine Kraft. In ihm ist Leben. Da ist eine unbändige Lebendigkeit. Ein Kind strampelt sich frei, es weiß nichts von der Angst vor Kriegen. Es kennt die Sorgen seiner Eltern nicht. Es strahlt sie an und ist nur mit einem beschäftigt – leben.
Johannes empfindet das als wahres Licht. Mir gefällt dieser Ausdruck. Es ist so als würde Johannes auf einmal, ganz plötzlich verstehen, worauf es im Leben ankommt. Die Wahrheit macht ihn frei. Die Wahrheit über Gott, der in Wahrheit ein Gott ist, der spricht und in Worten lebendig bleibt.
Es sind Worte voller Segen. Benidicere. Das lateinische Wort für Segnen: Gut reden. Richtig reden. Gott redet richtig. Gott redet so, dass etwas entstehen kann und gut wird.
Das steht am Anfang. Das große Vertrauen, dass Gott diese Welt ansieht und sie segnet: Siehe, es ist gut.
Johannes gelingt es mit Prolog, seiner Einführung in sein Evangelium das Geheimnisvolle und Wunderbare zu bewahren. Gott löst sich nicht auf in der Welt – Gott bleibt.
Gott bleibt im Wort verborgen und erkennbar.
Gott geht nicht auf in der Welt – er wird ein kleiner Mensch und bleibt so großer Gott.
Gott verliert sich nicht in der Welt und der Menschlichkeit – er bleibt auch wahrer Gott: Ursprung und Anfang.
Das alles feiern wir, wenn wir Weihnachten feiern. Wir nehmen unsere Sehnsucht wahr, nochmal neu anzufangen, wenn wir am Ende sind.
Dieser Sehnsucht begegnet die Furchtlosigkeit, die entsteht, wenn Gott spricht und dieses Wort direkt an uns richtet: Siehe, es ist gut.
Damit wird nicht das Böse abgesegnet oder das Schlechte klein geredet. Der Schmerz wird wahrgenommen. Der Tod anerkannt.
In der Finsternis scheint das Licht. Die Finsternis löst sich nicht auf. Gott trennt sie voneinander. Licht und Finsternis. Tag und Nacht. Geburt und Tod.
Das alles bedenken wir, wenn wir Weihnachten feiern: Das Gott neu wird und lebendig bleibt. In uns.
Das bewegt mich beim Blick in die Welt an diesem Weihnachtsfest: Das da an allen Orten, die ich mit Angst und Schrecken in Verbindung bringe: die Kriegsgebiete, die Häuser, in denen Hunger herrscht, die Familien, in denen Gewalt missbraucht wird, die Gefängnisse der Welt – das sind Orte, wo die Sehnsucht nach einem neuen Anfang groß ist. Auch an diesen Orten finden Geburten statt: Das Leben geht weiter – und es kann, gut werden, wenn das Wort Fleisch wird.
Wenn wir also nicht nur reden von einer besseren Welt. Wenn wir nicht mit leeren Worthülsen um uns werfen, sondern wenn das Wort unsere Hände bewegt, unseren Verstand leitet und unsere Füße lenkt.
Das wäre ein Anfang. Wenn wir anders miteinander, zueinander sprechen. Wenn in der Welt das Wort jedem gegönnt wird. Wenn das Wort etwas zählt, wenn der Austausch von Worten Leben schafft.
Am Anfang.
Heute ist so ein Anfang. Heute kann das, was wir da gesehen und gehört haben in der Heiligen Nacht meine Worte und mein Handeln verändern.
Heute kann Gott geboren werden. Und wir werden – etwas unbeschwerter.
Das wäre herrlich. Eine Herrlichkeit voller Gnade und Wahrheit.
Der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen