2024-12-29 - 1. Sonntag nach Weihnachten - (DE) - Pastorin Kornelia Schauf

Matthäus 2, 13-18


predigt english


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen


 Matthäus 2, 13-18

Als die Sterndeuter wieder gegangen waren, erschien dem Josef im Traum ein Engel des Herrn und sagte: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter, und flieh nach Ägypten; dort bleibe, bis ich dir etwas anderes auftrage; denn Herodes wird das Kind suchen, um es zu töten. Da stand Josef in der Nacht auf und floh mit dem Kind und dessen Mutter nach Ägypten. Dort blieb er bis zum Tod des Herodes. Denn es sollte sich erfüllen, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen. 


Liebe Gemeinde,

Ein Bild begleitet uns heute durch diesen Gottesdienst. Es ist ein Altarbild, das heute in den Uffizien, dem bekannten Museum in Florenz zu sehen ist.
Gemalt wurde es von Gentile da Fabriano, 1423 – also vor ziemlich genau 600 Jahren.

Es zeigt eine Geschichte, die Matthäus erzählt: ziemlich am Anfang seines Evangeliums. Es ist die Erzählung von der Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten.

Ob diese Flucht wirklich so stattgefunden hat, ist fraglich.

Doch diese Erzählung ist wichtig, weil es Matthäus dadurch gelingt, zu erzählen, was ihm an Jesus so wichtig ist: Gleich am Anfang. Und dann im Rest seines Evangeliums wird diese Bild entfaltet.

Ich teile einige Beobachtungen mit euch:

  1. Das Land Israel steht zur Geburtszeit Jesu unter der starken Herrschaft von Herodes. Das ist tatsächlich auch so gewesen. Matthäus stellt fest: Dieser mächtige Herrscher hat Angst – vor einem neugeborenen Kind, weil es mächtiger werden könnte als er. Matthäus nimmt wahr und illustriert, was Angst mit einem Menschen machen kann. Die Angst wird zur Motivation und zur Legitimation von Gewalt. Nun ist es nicht irgendein Mensch, sondern ein Herrscher. Das ist für die Bevölkerung verheerend: Ein Herrscher voller Furcht wird ein furchtbarer Herrscher. Vorsicht also vor Regierenden, die mit Angst manipulieren und deren Angst, deren Ablehnung ihr Motor ist.
  1. So aussichtslos die politische Lage scheint – Gott wirkt auf geheimnisvolle Weise und eröffnet Auswege. Josef bekommt Rat im Traum. Gott wirkt. Wohl dem, der lernt, Gottes Wirken zu erkennen. Josef ist aufgewachsen mit der Weisheit, dass Gott im Verborgenen wirkt. Es gibt viele Träume und nächtliche Begegnungen und verborgene Gespräche mit Gott, die eine Wendung bringen. Josef traut auch dieser Wirklichkeit. Sie ist für ihn so ernst zu nehmen, wie alles, was er sehen und begreifen kann. Wir aufgeklärten Christen haben da manchmal unsere Mühe: doch Matthäus zeichnet schon am Anfang seines Evangeliums: es gibt unterschiedliches Wirken Gottes in der Welt und daher gibt es auch unterschiedliche Frömmigkeiten. Es gibt die Mystik und die praktische Nächstenliebe. Es gibt die Fluchthelfer und diejenigen, die sich um Flüchtlinge kümmern und es gibt die Schriftgelehrten, die Gottes Wirken dort erkennen und sichtbar machen. Hier gehören sie zusammen.
  1. Obwohl Josef am Anfang wie eine Hintergrundfigur wahrgenommen wird. Als hätte Josef nur eine Nebenrolle, hier ist nun seine Stunde gekommen. Hier bekommt er die Hauptrolle – er nimmt seine Vaterpflichten ernst und er ist der Beschützer: Mit ihm redet Gott im Traum
  1. Nach Ägypten: Was soll das? Ausgerechnet nach Ägypten könnte man fragen? Gibt es keinen besseren, sicheren Ort. Ägypten war immerhin das Land der Sklaverei. Das jedenfalls steht für viele Juden und Christen im Vordergrund. Als gäbe es nichts anders über dieses Land zu sagen, als dass es Sklaverei geduldet hat. Doch von jedem Land gibt es mehr zu sagen als das, was es falsch gemacht hat. Von jedem Land sind andere Geschichten zu erzählen. Matthäus erinnert uns daran. Jesus findet Zuflucht in Ägypten. Moses hatte dort ebenfalls Zuflucht gefunden. Ebenfalls auf wunderbare, geheimnisvolle Weise. Mose, der Mann, der Israel aus der Gefangenschaft geführt hat, war gerettet worden in Ägypten. Im Hause des Pharaos wuchs er auf. Matthäus stellt den neugeborenen Retter in diese Tradition: Jesus wächst auf in der Verborgenheit in Ägypten. Im Haus der Sklaverei, verborgen: da wachsen starke Befreier. Und nicht nur Mose und Jesus werden im Land der Unterdrückung gerettet. Da war ja schon mal ein Josef, der nach Ägypten verkauft wurde und dort später zum Retter seiner Familie wurde. Ja, von Anfang an erzählt Matthäus so, dass wir unsere einseitigen Urteile über Länder und Menschen infrage stellen und wahrnehmen, dass Gott in den schlimmsten Umständen doch weiter regiert und führt.
  1. Josef steht auf mitten in der Nacht. Bedeutsamer kann ein Satz nicht sein. Matthäus erfasst mit ihm sein ganzes Evangelium. Seine gute Botschaft: Mitten in der Nacht liegt der Anfang eines neuen Tages. Am Anfang steht hier das Vertrauen von Josef in seinen Gott. Josef vertraut. Josef nimmt Gottes Zeichen ernst. Ob er gezweifelt hat, wissen wir nicht, doch sein Vertrauen war größer.Er flieht. Er erkennt, was zu tun ist. Ich bin ziemlich sicher, dass er sich gefragt hat: ist das richtig? Bin ich ein Feigling, wenn ich weglaufe? Bin ich ein Verräter, wenn ich aus meinem Land ziehe? Habe ich das Recht, wegzugehen? Nein, niemand bricht einfach so, ohne Zweifel auf. Niemand lässt sein Land einfach hinter sich. Das ist eine große Entscheidung. Das ist ein schwerer Schritt. Es ist ein Schritt, der einen ahnen lässt, wie dunkel es war – wie tief die Nacht – wie bedrohlich der brutale Herrscher.
  1. Und dann am Ende, eine Deutung: Damit sich etwas erfüllen kann. Wir wissen manchmal nicht, was sich in unserem Leben, in unserer Welt noch erfüllen soll. Wir werden Gottes Handeln oft nicht verstehen: was soll noch Gutes entstehen in der Nacht? Doch Josef glaubt, da kann noch Erfüllung kommen. Da kann doch wieder Gutes entstehen. Hier wird das Bild von Ägypten auf den Kopf gestellt: aus dem Land der Unterdrücker kommt der Befreier. So wie Gott schon einmal seine Söhne und Töchter befreit hat, so befreit er sie wieder. 

Soweit die Beobachtungen in dieser Geschichte: Jede Beobachtung ist es wert, sie noch genauer, noch tiefer wirken zu lassen und zu begreifen.

Doch wir sind hier ja auch mit der Frage: Was heißt das für uns?

Was bedeutet das in einer Welt, in der es zurzeit 122 Millionen Flüchtlinge gibt? Was bedeutet das für persönliche Erfahrungen von Dunkelheit und Angst vor Gewalt?

Was bedeutet das so kurz nach Weihnachten, auf der Schwelle zu einem neuen Jahr.

Für mich sind diese Beobachtungen Einladungen, unser Land, mein Leben, unsere Welt neu anzuschauen: Sooft schon haben wir unser Urteil gefällt: über das, was uns bevorsteht.- Wir beurteilen unser Land, ihrer Herrscher und auch die Herrscher dieser Welt. Wir leben in der Gefahr, uns von Angst leiten zu lassen.

Josef hat Angst und Vertrauen. In seiner Angst bleibt er geleitet vom Vertrauen in einen wirksamen Gott – das ist ein heilvoller Weg durch die Nacht hindurch – ins Licht.
Herodes hat Angst und bleibt geleitet von Angst. Das führt zu Gewalt und Tod. Das führt zu einer Schreckensherrschaft.

Matthäus beschreibt, was Johannes später folgendermaßen ausdrückt: in der Welt habt ihr Angst, doch ich habe die Welt überwunden.


Weihnachten ist für mich eine Geschichte, die Vertrauen fördert. Es ist eine Geschichte gegen die Angst. Sie tut nicht so, als dürften wir uns nicht fürchten. Wir tun es sowieso. Doch diese Geschichte lädt ein, nochmal zu fragen: was bewegt mich? Was leitet mich? Ist es meine Angst oder ist es mein Vertrauen in den Gott, der die Welt verändert und befreit.

Gott wirkt – lasst uns daran arbeiten, dass wir Gottes Wirken auch im Verborgenen erkennen. Lasst uns die praktische Nächstenliebe ebenso fördern wie das geistliche Verstehen.
Und lasst uns mit großem Mitgefühl den Menschen begegnen, die auf der Flucht sind. Gott ist mit ihnen in besonderer Weise unterwegs. Das kann Jahre, auch Generationen dauern, bis sich etwas verändert: doch wir sollten damit rechnen: das derjenige, den wir verkaufen und links liegen lassen, später unser Helfer in der Not sein kann.
Wir sollten damit rechnen: Das diejenigen, die jetzt auf der Flucht sind, Menschen sind, die große Verantwortung wahrnehmen und Länder aus dem Unrecht befreien.

Lasst uns vorsichtiger werden mit unseren  Urteilen und Beurteilungen und Verurteilungen und lasst uns weiter zutrauen, dass sich in Zukunft noch Vieles erfüllen kann – so dass es Gott gefällt.

Damit wird deutlich, dass die Weihnachtsgeschichte unser ganzes Leben verändert: unser Herz, unser persönliches Leben, unser Land und unsere Welt. Damit wird auch deutlich: Mit großer Zuversicht können wir in das neue Jahr gehen: denn mitten in der Nacht wirkt Gott. Steht auf und lasst euch von Gott dahin leiten, wo Erfüllung wartet.

Der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen. 

 

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