Sprüche 8,22-36
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen
Liebe Gemeinde,
Dieser Sonntag heißt Jubilate: „Jubelt“. Wir haben gerade ein Lied gesungen: „Our God is an awesome God – Unser Gott ist wunderbar“
Der Wochenspruch nennt den Grund für die Bewertung „Wunderbar, awesome“ und weist uns darauf hin, warum wir jubeln können: In Christus wird die Welt neu geschaffen – wie neu geboren.
Und an diesem Tag, an dem etwas Neues beginnt, erinnert der Predigtext an eine alte Erfahrung der Schöpfung.
Der Predigttext aus den Sprüchen ist ein Schöpfungsbericht, der leider sehr in Vergessenheit geraten ist.
So viel vorweg: Das Buch der Sprüche gehört zu der sogenannten „Weisheitsliteratur“.
Weise sein und Weisheit empfangen bedeutet mit einer unbändigen Kraft zu leben. Einer Kraft, die ermöglicht durch das Leben zu kommen – fröhlich, zuversichtlich. Weisheit ermöglicht, mit Verletzungen so umzugehen, dass es ein Leben danach gibt – ein gutes Leben.
Weisheit trägt dazu bei, dass Wunden verheilen und wir die Narben dieser Wunden anschauen können und würdevoll tragen. Wie wir mit Wunden und Verletzungen umgehen, daran erkennen wir, ob wir weise sind. Jesus hat nach der Auferstehung seine verheilten Wunden gezeigt. Daran haben ihn die Freunde erkannt.
Aber wie werden wir weise – und woher kommt die Weisheit.
Das wird in den Versen der Bibel erzählt, die wir eben schon gehört haben und die ich nochmal lese:
Das „Ich“, das hier spricht ist Frau Weisheit. Das Wort dafür ist „Sophia“. Es ist uns ja als schöner Frauenname bekannt. Die Weisheit ist auch in der hebräischen Sprache weiblich.
Es hat eine lange Tradition, sich die Weisheit als Frau neben Gott vorzustellen, ähnlich wie der Geist Gottes, der im Hebräischen eben auch weiblich ist: Die Ruach – die geistbeseelte Kraft.
Also hören wir Frau Weisheit, hören wir Sophia noch einmal zu:
22 Der HERR hat mich schon gehabt im Anfang seiner Wege, ehe er etwas schuf, von Anbeginn her.
23 Ich bin eingesetzt von Ewigkeit her, im Anfang, ehe die Erde war.
24 Als die Tiefe noch nicht war, ward ich geboren, als die Quellen noch nicht waren, die von Wasser fließen.
25 Ehe denn die Berge eingesenkt waren, vor den Hügeln ward ich geboren,
26 als er die Erde noch nicht gemacht hatte noch die Fluren darauf noch die Schollen des Erdbodens.
27 Als er die Himmel bereitete, war ich da, als er den Kreis zog über der Tiefe,
28 als er die Wolken droben mächtig machte, als er stark machte die Quellen der Tiefe,
29 als er dem Meer seine Grenze setzte und den Wassern, dass sie nicht überschreiten seinen Befehl; als er die Grundfesten der Erde legte,
30 da war ich beständig bei ihm; ich war seine Lust täglich und spielte vor ihm allezeit; 31ich spielte auf seinem Erdkreis und hatte meine Lust an den Menschenkindern.
32 So hört nun auf mich, meine Söhne! Wohl denen, die meine Wege einhalten!
33 Hört die Zucht und werdet weise und schlagt sie nicht in den Wind! 34Wohl dem Menschen, der mir gehorcht, dass er wache an meiner Tür täglich, dass er hüte die Pfosten meiner Tore!
35 Wer mich findet, der findet das Leben und erlangt Wohlgefallen vom HERRN. 36Wer aber mich verfehlt, zerstört sein Leben; alle, die mich hassen, lieben den Tod.
Was mich an diesen Worten so berührt und bewegt: Von Anfang an, war Gott nicht allein.
Die Weisheit und Gott, ein unzertrennliches Paar. Sie ist überall zu finden – vor allem und nach allem. Beständig ist sie bei Gott. Sie ist seine Gesellin. Fröhlich tanzt sie um Gott herum und spielt auf seinem Erdenkreis. Sie heitert Gott auf. Sie ermutigt Gott. Sie hat Freude an den Menschen und teilt diese Freude mit Gott.
Gott hat sie von Anfang an – ehe er ans Werk ging. Die Weisheit ist die Seele Gottes, die Gott der Welt und den Menschen einhaucht. Begeistert wird die Welt – und es ist kein Wunder, dass die Begeisterung, das überwältigende Staunen ein erster Schritt ist, um weise zu werden.
Nehmt den Moment, wo ein kleines Kind seine Welt entdeckt: und staunt.
Jedes noch so kleine Ding, was die Aufmerksamkeit eines Kindes bekommt, wird zu einer wunderbaren Erfahrung. Da ist ein Staunen zu sehen!
Wann habt ihr zum letzten Mal so gestaunt: an Cape Point, wenn der Horizont so gewölbt vor einem liegt und zwei Weltmeere sich treffen?
Wenn ihr am Strand lauft und eine wunderschöne Muschel findet?
Auf dem Tafelberg, wo es eine größere Vielfalt von Pflanzen gibt als in ganz England?
In eurem Garten, wo die Rosen so prächtig blühen?
Oder als ihr ein Essen gekocht habt und gestaunt habt über das tiefe orange einer Karotte?
Wann habt ihr so gestaunt wie ein Kind?
Über die Bodenschätze in der Erde?
Über die Sterne im Himmel?
Über das Wunder einen kleinen Säugling im Arm zu halten mit Händen und Füßen, Augen, Ohren, Mund und Nase?
Welche Weisheit ist in alledem verborgen? Welche Möglichkeiten?
Welches Potential, das sich entfalten kann, wenn wir all dies weise bestaunen. Weise staunen heißt mit einer Ehrfurcht vor dem Leben.
Diese Ehrfurcht vor dem Leben schließt Todeserfahrungen ein.
Die Weisheit endet nicht in der Begegnung mit dem Schweren oder dem Leiden oder gar dem Tod. Die Weisheit ist auch dort zu finden.
Ich komme zurück auf den Gedanken, dass Gott von Anfang an die Weisheit an seiner Seite hat. Ein Gott, der nicht allein ist. Kurt Marti, ein Pfarrer aus der Schweiz, dem Heimatland von Emma und Martha und ihren Eltern hat es mal so gesagt: Gott ist ein geselliger Gott.
Gott ist nicht allein und diese Erfahrung prägt dann die ganze Welt: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“
Es ist weder gut, wenn ein Mensch allein ist und auch Gott will nicht allein sein. Das ist einer der Grundgedanken unseres christlichen Glaubens: Die Kraft, die aus der Gemeinschaft kommt. Durch die Beschäftigung mit der Weisheit, erkennen wir, dass die Sehnsucht nach Gemeinschaft eine Eigenschaft ist, die wir dem geselligen Gott verdanken: wir sind sein Ebenbild.
Wir brauchen Gemeinschaft, wo wir auf dem Erdenkreis zusammenspielen und staunen.
Wo wir in der Welt tanzen und eine Leichtigkeit erleben, als wären wir schon losgelöst von allem Schweren.
Die Weisheit hilft uns schwerelos zu werden – ausgesetzt die Erdanziehungskraft, sondern eine Erfahrung schon fast im Himmel zu sein.
Konfirmation ist für mich so ein Tag im Leben – wo wir für einen Moment innehalten, nachdem aus den staunenden kleinen Kindern schon Jugendliche geworden sind. Da begleiten wir sie für ein Jahr und das Ziel ist, das Staunen neu zu entdecken. Das Ziel von alledem, was wir tun ist, eine Ermutigung, weise zu werden und in allem und in jeder Situation lebendig zu bleiben.
Die Konfirmation war ursprünglich noch deutlicher auf der Schwelle zum Erwachsenwerden. Die Schule war dann fertig. Im Alter von vierzehn Jahren begann in Deutschland für viele der Berufsalltag.
Die Kindheit vorbei.
Nicht umsonst empfiehlt Jesus im Neuen Testament: Werdet wie die Kinder. Damit meint er wohl: erhaltet euch die Fähigkeit zu Staunen über das Leben, über euer Leben, über die Lebendigkeit, die sich in allem finden lässt, über Gott und seine Freundin Sophia.
Der Lebensweg als Weg, der uns weiser macht – wer den Weg so einschlägt hat die Möglichkeit an allen Tagen, an allen Orten der Welt, in jeder Erfahrung Gott zu entdecken du weiser zu werden.
Das ist die Erfahrung von Erneuerung. Wie neugeboren. Auch in schweren Situationen, diesen Geist, diese Lebendigkeit von Sophia zu suchen.
Zu diesem Leben ermutige ich euch, Emma und Martha heute: Bewahrt eure Neugier und Entdeckerfreude. Nehmt eine Haltung zum Leben ein, die davon ausgeht: alles kann mir zum Guten dienen und in allem kann ich Gott entdecken.
Auch wenn es manchmal wie eine Detektivarbeit ist. Ja, manchmal verschlägt das Leben einem die Sprache und wir Menschen sind für einen Moment überwältigt von der Kraft des Todes. Das sind die größten und schweren Herausforderungen.
Aber heute habt ihr gehört, dass die Weisheit tiefer ist als jeder Abgrund. Dass die Weisheit älter ist, als jede Gefahr. Dass die Weisheit lebendiger ist als der Tod.
„Hört auf mich“, empfiehlt die Weisheit. Sucht mich und entdeckt durch mich einen geselligen Gott, der seine Welt voller Liebe und Fürsorge geschaffen hat. Entdeckt mit mir Gott in allen Dingen. Entdeckt mit mir den Ursprung von Gemeinschaft.
Wo und wie das geht? Wo ihr suchen könnt? Am besten in der Gemeinschaft von anderen: in der Gemeinde.
So verstehe ich Gemeinde und die Gemeinschaft, zu der ihr seit der Taufe gehört. Das wird heute befestigt.
Eine Gemeinde, in der Menschen füreinander da sind.
Ihr werdet heute in einer Gemeinde, hier in der Johannesgemeinde konfirmiert, in der Menschen das ernst nehmen. Eine wunderbare Erfahrung von Kirche. Es gibt solche Gemeinschaften in allen Ländern der Welt. Manchmal muss man auch nach ihnen suchen und auch helfen, dass sie wieder so werden, wie sie sein sollten. Die Kirchen sind nicht vollkommen. Das wissen wir ja.
Doch trotz alledem sind die Gemeinde der Ort, wo Menschen mit dem Geist Gottes beseelt und begabt sind.
Hier leben Sophia und Gott. Hier sind sie zu finden.
Ich wünsche euch und eurer Familie auf eurem Lebensweg: Möget ihr weise bleiben und immer wieder neu werden! Sodass es ausreichend Grund gibt zum Jubeln, zum tanzen und spielen und staunen über die vielfältigen Wunder dieser Welt.
Ja, das ist meine Bitte für euch und uns: Dass wir lernen weise zu werden – voller Vertrauen im Leben und im Tod.
Der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen